Insights.Now

Consulting

Wachstumsbremse Bürokratie

Regulierungen und Nachweispflichten belasten Unternehmen zunehmend. Das bremst Innovationen und kostet Milliarden.

26. Februar 2025

5 Min. Lesezeit

Group of people in a meeting room

Zum Beispiel die Entwaldungsverordnung (EUDR): Sie verpflichtet Unternehmen zu dem Nachweis, dass die Herstellung ihrer Produkte nicht für Waldschäden sorgt. Das müssen sie nachweisen und wer es versäumt, muss mit hohen Strafen rechnen. Doch die Durchforstung der Lieferkette nach Entwaldung reicht nicht. Denn für größere Unternehmen gilt zusätzlich das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das ihnen weitere Nachweispflichten auferlegt.

Dabei werden kleine und mittelgroße Unternehmen gleich mit in die Pflicht genommen. Denn sie gehören in vielen Fällen zur Supply Chain der betroffenen Unternehmen. Vor allem Mittelständler in der Autoindustrie befinden sich häufig im ersten Glied der Lieferkette. Die großen OEMs möchten nun Strafen und Prozesse vermeiden und verpflichten ihre direkten Zulieferer: Prüft eure eigene Lieferkette, damit es nicht zu Compliance-Problemen kommt. Und damit stecken sich auch Kleinunternehmen in der Bürokratiefalle.

Bürokratiekosten: 146 Milliarden Euro fehlen im BIP

Entwaldung und Lieferkette sind nur zwei Beispiele für Bereiche, in denen sich Unternehmen an zahlreiche bürokratische Regeln halten müssen. Häufig sind die entsprechenden Regulierungen mit Melde- und Nachweispflichten verbunden. Das erhöht die Belastung der Unternehmen: Laut einer Umfrage des BDI geben neun von zehn betroffenen Firmen an, dass der bürokratische Mehraufwand für das LkSG hoch oder sogar sehr hoch sei.

Schon jetzt muss sich jedes zweite Unternehmen durch Consultants oder Anwälte beraten lassen, um mit der neuen Regelung klarzukommen. Die Folge: ein Viertel der Unternehmen verringert die Anzahl seiner Zulieferer, 14 Prozent prüfen den Rückzug aus risikoreichen Ländern mit unklarer Situation. Daran wird deutlich, dass die zahlreichen neuen Regulierungen für Unternehmen hohe Kosten durch eine entgangene Wirtschaftsleistung bedeuten. Zu einem ähnlichen Schluss kam vor kurzem auch das ifo-Institut in einer Studie im Auftrag der IHK München und Oberbayern.

Bild von Euro-Geldscheinen

Die Studie beziffert die wirtschaftlichen Nachteile der deutschen Bürokratie mit 146 Milliarden Euro pro Jahr. Über 90 Prozent der Unternehmen fühlen sich in ihrem Geschäftsbetrieb eingeschränkt. Besonders belastend für Unternehmen wirken die zahlreichen Nachweispflichten, häufige Gesetzesänderungen und langsame Genehmigungsverfahren. Das liegt an einer deutlichen Überforderung der Verwaltung. Auf der einen Seite würden politische Maßnahmen regelrecht angehäuft. Auf der anderen Seite wachsen die Kapazitäten nicht im selben Maße – unter anderem durch mangelhafte Digitalisierung.

Großer Reformbedarf nach sechs Jahren DSGVO

Der bürokratische Overkill zeigt sich auch in einem Bereich, der eigentlich sehr sinnvoll ist: dem Datenschutz. Eine Studie des Digitalverbandes Bitkom hat dieses Feld genauer in den Blick genommen. So beklagen neun von zehn Unternehmen einen viel zu hohen Aufwand durch die DSGVO und fordern eine Reform. Viele warnen, dass die Anforderungen des Datenschutzes die Digitalisierung hemmen und in den Unternehmen nur wenig praxistauglich sind.

Zahlreiche Unternehmen empfinden die inzwischen sechs Jahre alte Datenschutzgrundverordnung als niemals abgeschlossenes Dauerprojekt. 80 Prozent der Unternehmen merken, dass durch das Ausrollen neuer Tools immer neue Datenschutzprüfungen in Gang kommen. Es gibt allerdings auch selbstkritische Stimmen: So finden 62 Prozent der befragten Unternehmen, dass die deutsche Wirtschaft beim Datenschutz überzieht – aus Angst, gegen die DSGVO zu verstoßen.

Große Einigkeit herrscht beim kritischen Blick auf die Aufsichtsbehörden. Viele Unternehmen sehen hier dringenden und grundsätzlichen Reformbedarf. Ganz oben auf der Wunschliste stehen eine bessere Abstimmung zwischen den einzelnen EU-Behörden und die Anerkennung der Entscheidungen anderer Aufsichtsbehörden. Denn rund jedes zweite Unternehmen hat bereits schlechte Erfahrungen mit einer uneinheitlichen Auslegung des Datenschutzes innerhalb der EU gemacht.

Was tun? Wie geht Bürokratieabbau?

Die Rede vom Abbau der Bürokratie ist nicht neu. Bereits seit Jahren fordern Wirtschaftsverbände, Parteien und viele Unternehmer eine Verschlankung der Bürokratie. Doch ganz offensichtlich ist das Gegenteil geschehen, die Regelungsdichte steigt an. So treten in diesem Jahr eine Vielzahl Regeln in Kraft, von speziellen Regulierungen für die Finanzbranche über Cybersecurity-Bestimmungen, KI-Gesetzen, Datengesetzen und Regeln für intelligente Produkte.

Wie können also die Regelungsdichte und die Bürokratie verringert werden? Zunächst ist der politische Wille dazu notwendig, sagt das ifo-Institut. Und damit meinen die Forscher, nicht nur kosmetische Verbesserungen zu schaffen, sondern grundlegende Reformen in Angriff zu nehmen. Sie fordern eine zweigleisige Strategie: „Zum einen muss Bürokratie grundlegend verschlankt und effizienter gestaltet werden. Zum anderen müssen unverzichtbare bürokratische Prozesse vereinfacht und vollständig digitalisiert werden.“

Diese Nachricht ist auch in der Politik angekommen. So fordern einige Politiker, bundesweit gesetzlich geregelte Leistungen wie etwa Elterngeld oder Wohngeld den Ländern und Kommunen als digitalen Service anzubieten. Ähnliche Überlegungen trifft auch Alexander Kritikos vom DIW Berlin (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V.): „In Zukunft wird es also darum gehen, nicht nur vom Abbau der Bürokratie zu sprechen, sondern auch vom Aufbau eines sehr gut funktionierenden Verwaltungsapparats. Digitalisierte Prozesse und die Nutzung künstlicher Intelligenz können standardisierte Verwaltungsprozesse um ein Vielfaches beschleunigen.“