In der hohen Kunst der schwierigen Verhandlungen bewährt sich ein neues Hilfsmittel. KI sorgt dafür, dass sich der Aufwand bei der Auswertung von Informationen deutlich verringert. Dadurch besitzen mit KI ausgestattete Verhandlungspartner einen wesentlichen Informationsvorsprung gegenüber den anderen Akteuren. „Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, vor allem mittels der Lieferung von Szenarien und Prognosen zu einem wichtigen, möglicherweise unverzichtbaren Instrument für die Vorbereitung und Durchführung diplomatischer Verhandlungen zu werden“, betonen Volker Stanzel und Daniel Voelsen. Sie sind die Autoren der Studie „Diplomatie und Künstliche Intelligenz“, Stiftung Wissenschaft und Politik, Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit.
Was im zähen Ringen zwischen den Gesandten auf internationalem Parkett Erfolg verspricht, ist in Wirtschaftsunternehmen längst angekommen. Besonders eindrucksvolle Ergebnisse bringt das Zusammenspiel von Künstlicher Intelligenz und Data Science. Das Doppel unterstützt dabei, große Datenmengen effizient zu analysieren und zu interpretieren.
Diesen smarten Technologie-Mix verwendet etwa ein Getränkegroßhändler bei Verhandlungen mit Kunden und Lieferanten, wie René Schumann, Geschäftsführer der Verhandlungsberatung Negotiation Advisory Group (NAG), berichtet. Unterstützt durch KI, Data Science und durch Preisexperimente lassen sich das Nachfrageverhalten und kundenspezifische Preissensibilitäten berechnen.
Unternehmen werden dadurch in die Lage versetzt, ihre Preise kompetitiver gestalten, als Reaktion auf saisonale Schwankungen oder auf Preise von Konkurrenzanbietern. Dies wiederum ermöglicht ein personalisiertes und dynamisches Pricing im Vertrieb und führt zu einer deutlichen Margenverbesserung.
Überzeugende Argumente durch KI
Unser oben erwähnter Getränkegroßhändler hatte zahlreiche Szenarien vorbereitet und in die Verhandlungen mit seinem Getränkehersteller eingebracht. Beispielsweise konnte er den Vertriebsmitarbeitern des Getränkeherstellers zeigen, welche Folgen es für die Absatzzahlen hat, wenn sie bei ihrer Forderung von sechs Prozent bleiben und welches Zusatzvolumen beim Absatz wahrscheinlich ist, wenn sie mit dem Preis runtergehen. „Das ist die Stärke von Data Science, dass man dem Vertrieb in Realtime verbindlich zeigen kann, was passiert, wenn er Mehrpreisforderungen durchsetzt oder aber Vergünstigungen gewährt“, erklärt René Schumann von der Verhandlungsberatung Negotiation Advisory Group.
Auch bei problematischen Verhandlungen kann die KI unterstützen. Ein Beispiel dafür beschreibt Philippe Gillen, Professor für Quantitative Methoden in der Wirtschaft an der CBS International Business School in Köln. Dabei ging es um einen Auftrag in Höhe von mehreren Millionen Euro.
Ein Werkzeughersteller steckte mit seinem Zulieferer, einem Verpackungsproduzenten, in einer schwierigen Ausgangslage. Der Bestandslieferant des Werkzeugherstellers forderte für das Jahr 2023 eine nachträgliche Preiserhöhung von 22 Prozent sowie für 2024 zehn Prozent mehr.
Dazu hatte der Verpackungsproduzent seine Strategie nach den für ihn günstigen Machtverhältnissen auf dem Markt ausgerichtet. Es ging es ihm nicht darum, seinen Absatz langfristig auszuweiten und abzusichern, sondern kurzfristig den Gewinn zu erhöhen. Er nutzte die Tatsache aus, dass sein Kunde, der Werkzeughersteller, nicht einfach den Anbieter wechseln kann. Eine schwierige Situation für den Werkzeughersteller, denn die Forderungen hätten zu Mehrkosten in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags geführt.
Ziele gegen Widerstände durchsetzen
In die Verhandlung ging der Werkzeughersteller mit zwei Zielen: die hohen Mehrpreisforderungen seines Lieferanten abzuwehren und gleichzeitig die Versorgungssicherheit für die benötigten Spezialverpackungen sicherzustellen. Zudem ging es um zahlreiche detaillierte Vertragsbestandteile wie Vertragsdauer, Zahlungsbedingungen, Mindestmengen, Materialpreisklauseln, Incoterms (Internationale Handelsklauseln), Inflationsklauseln, Kapazitätsgarantien, Qualitätspönalen sowie Mengengarantien. Berücksichtigt werden mussten außerdem Preisstatistiken, Marktmachtverhältnisse und -entwicklungen, mögliche neue Vertragsdauern und unterschiedliche Verhandlungsstrategien wie aggressiv, kooperativ, offensiv, oder defensiv.
Die KI-Simulation spuckte schließlich eine mit hoher Wahrscheinlichkeit optimale Verhandlungsstrategie aus, die sich am Ende tatsächlich durchgesetzt hat. Der Werkzeughersteller berücksichtigte das Preisrisiko des Verpackungsproduzenten bei der Beschaffung von Rohmaterialien und Vorprodukten durch Preisgleitklauseln. Auf diese Weise konnte er ihn von seinen aggressiven Preisforderungen abbringen und seine Mehrpreisforderungen um mehr als die Hälfte zu senken. Durch die dadurch erzielten Einsparungen landete das Ergebnis schließlich deutlich unter dem Marktniveau.
Verhandlungen proben mit KI und Virtual Reality
Neben KI-Simulationen, wo sich Verhandlungsstrategien und -ziele erproben lassen, geht das Verhandlungstraining in einer Virtual-Reality-Umgebung (VR) einen Schritt weiter. Wie das funktioniert, zeigt das „Sales Lab“ des Kompetenzzentrum für Wachstums- und Vertriebsstrategien der Hochschule Neu-Ulm. Diese Verhandlungssimulation verbindet Spracherkennung, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen in einer VR-Umgebung miteinander. „Im Verhandlungstraining lässt sich ganz natürlich mit den Avataren kommunizieren, und sie antworten ebenso natürlich. So wird der Dialog so praxisnah wie möglich“, erklärt Jan Fiedler, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Neu-Ulm.
Den Unterschied zwischen dem virtuellen Verhandlungstrainings und dem klassischen fasst Fiedler so zusammen: „Die Grundidee ist dabei, einen klassischen Schulungsteil über Verhandlungen beizubehalten, den Übungspart aber in VR zu realisieren. Das spart Zeit und Geld, weil sich das Training zeit- und ortsunabhängig durchführen lässt. Man kann es zudem auch ohne VR-Brille am Rechner durchführen und mit den Avataren in den Dialog treten.“ Die Anwendung soll um einen Editor erweitert werden. Dann können Trainerinnen und Trainer selbst unterschiedliche Verhandlungssituationen einrichten, die in Zukunft wichtig sind.
Tipps & Tricks & Tools
Predictive Analytics Tools setzen auf maschinelles Lernen, um zukünftige Trends und Verhaltensmuster auf Basis historischer Daten vorherzusagen. Dies kann für die Preisgestaltung, die Nachfrageplanung und die Bestandsverwaltung nützlich sein.
Automatisierte Verhandlungsplattformen verwenden KI, um Verhandlungsszenarien zu simulieren und optimale Verhandlungsstrategien zu entwickeln.
Chatbots und Virtuelle Assistenten werden zur Automatisierung von Kommunikationsprozessen eingesetzt und bieten Unterstützung bei der Kundenbetreuung oder bei häufig gestellten Fragen.
KI-basierte Vertragsmanagement-Systeme unterstützen, um Vertragsbedingungen zu analysieren und Empfehlungen für Verhandlungspunkte zu geben.
KI-gestützte Customer-Relationship-Management-Systeme (CRM) stellen detaillierte Kundenprofile zusammen und entwickeln personalisierte Verkaufsstrategien .
Marktanalysen mit KI helfen, Markttrends zu verstehen und die Wettbewerbslandschaft zu analysieren, was in Verhandlungen einen entscheidenden Vorteil bieten kann.
Sentiment-Analyse-Tools analysieren die Stimmung in Kommunikationstexten, was besonders nützlich sein kann, um die Position und die Intentionen des Verhandlungspartners besser zu verstehen.
KI-basierte Risikoanalyse erkennt und bewertet mögliche Risiken in Verhandlungen. Sie nehmen beispielsweise Marktdaten, Nachrichten und andere relevante Informationen unter die Lupe und leiten daraus Vorschläge ab.
Preisoptimierungs-Tools analysieren historische Preisdaten, Wettbewerbspreise und Kundenverhalten, um optimale Preisstrategien für Produkte und Dienstleistungen zu empfehlen.
KI-gestützte Verhandlungstrainings simulieren realistische Verhandlungsszenarien, in denen Mitarbeitende ihre Fähigkeiten trainieren können. Sie geben personalisiertes Feedback und Verbesserungsvorschläge.
(Quelle: Braintrust Group)