Während der Pandemie warfen Supply-Chain-Führungskräfte ein sehr wachsames Auge auf ihre Lieferantennetze. Aber die Aufmerksamkeit hat spürbar nachgelassen und damit gehen Risiken einher. 2021 glaubten 66 Prozent der Supply-Chain-Verantwortlichen, das Lieferantennetzwerk spiele eine wichtige Schlüsselrolle für den Erfolg und die Gesamtstrategie ihres Unternehmens. 2022 ist dieser Anteil auf 52 Prozent gesunken.
Das Beratungshaus Oxford Economics hat im Auftrag von SAP 1.000 Supply-Chain-Führungskräfte weltweit befragt, darunter Länder wie Deutschland, Frankreich, die USA, Japan, Kanada, Brasilien, Spanien, Italien, Großbritannien und China. Trotz im Großen und Ganzen guter Ergebnisse lässt der Fokus der Unternehmen auf ihre Lieferantenketten, das zeigt der Vorjahresvergleich, spürbar nach.
Risiko #1: Geschwindigkeit
Kunden erwarten heute, dass die bestellte Ware möglichst noch am Tag der Bestellung, spätestens aber am nächsten Tag bei ihnen eintrifft, ohne Abstriche an der Qualität der Ware machen zu müssen. Das setzt die Lieferketten der Unternehmen unter Druck. 40 Prozent der Supply-Chain-Executives befürchten, ihr Liefernetzwerk sei diesen Ansprüchen nicht gewachsen; 34 Prozent machen sich Sorgen, die Erwartungen ihrer Kunden nicht zeitnah erfüllen zu können. 54 Prozent sind außerdem der Überzeugung, dass Kunden den Auslieferungsprozess in Echtzeit tracken wollen.
Risiko #2: Teamarbeit und Transparenz
Supply-Chain Executives sind sich einig: Um einen optimalen Kundenservice gewährleisten zu können, müssen alle Silos entlang der Lieferantenkette wie ein agiles Netzwerk zusammenarbeiten. Etwa die Hälfte der Umfrageteilnehmer sieht in ihren Unternehmen allerdings Defizite. Der aktuelle Stand der unternehmensinternen Kommunikation von Produkt-Design und Operations mit dem Rest des Unternehmens lässt bislang noch zu wünschen übrig.
Insbesondere an der internen Zusammenarbeit mit den Geschäftseinheiten Kunden-Service, Verkauf, Produktion und After-Sales mangelt es. Nur etwa 50 Prozent der befragten Supply-Chain-Führungsverantwortlichen zeigt sich mit dem aktuellen Status-quo zufrieden. Bei der Kommunikation und Zusammenarbeit mit externen Partnern sieht es noch schlechter aus.
Resilienz durch Künstliche Intelligenz
Ein wichtiges Ergebnis der Umfrage unter 1.000 Supply-Chain-Executives: Die Bedeutung der Künstlichen Intelligenz wird glasklar gesehen. 56 Prozent setzen bereits AI-Technologie ein, fast genauso viele wie die Cloud (60%). Damit liegt AI noch vor mobilen Technologien (55%) und dem Internet der Dinge/IoT (50%). Nachholbedarf gibt es aber noch bei der Auswertung von Produktdaten entlang der Wertschöpfungskette. Erst 14 Prozent nutzen AI und Predictive Analytics, um Produktdaten auszuwerten und darauf basierend in Echtzeit Verbesserungen zu erzielen.
Nachhaltigkeit: immer wichtiger, aber nicht Prio-1-Ziel
In den letzten Jahren hat das Thema „Nachhaltigkeit in der Supply Chain“ an Relevanz stark zugenommen. Etwa die Hälfte der Umfrageteilnehmer bestätigt, dass Nachhaltigkeit die Kaufentscheidungen ihrer Kunden beeinflusst. Handlungsbedarf sehen Supply-Chain-Executive bei den Fertigungs- und Produktionsprozessen (43%), bei der Wiederverwertung nach Ende des Produkt-Lebenszyklus (31%), im After-Sales (30%) und bei Auslieferungsprozessen (28%).
Nachhaltigkeitsinitiativen sind aber nur dann von Erfolg gekrönt, wenn ihre Performance auch gemessen wird. Auch im Supply-Chain-Management gilt das alte Diktum: „You can’t manage what you can’t measure“. Bislang haben jedoch nur knapp ein Viertel der Umfrageteilnehmer (23%) den vollen Einblick in die Nachhaltigkeitspraktiken ihrer Lieferanten. Der Anteil ist im Vergleich zu 2021 (30%) sogar deutlich zurückgegangen.
Lieferkettengesetz – für deutsche Unternehmen obligatorisch
Viele Unternehmen arbeiten aktiv daran, diese Transparenzdefizite zu beheben. 34 Prozent der Teilnehmer haben gemeinsam mit ihren Partnern und Lieferanten Nachhaltigkeits-KPIs und Performance-Metriken aufgesetzt. In Deutschland macht zudem der Gesetzgeber Druck. Das sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist ab Anfang 2023 für Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitenden obligatorisch. Ab 1. Januar 2024 werden auch deutsche Firmen ab 1.000 Mitarbeitenden in die Lieferkettensorgfaltspflicht genommen. Bei Defiziten drohen teils hohe Bußgelder.
Weiterführende Lektüre
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