Schneller gesund: KI hilft gegen Krebs

In der Medizin gilt künstliche Intelligenz (KI) als Hoffnungsträger. In zahlreichen Forschungsfällen hat sich der Einsatz bereits bewährt. Patienten werden schneller gesund.

7. November 2024

7 Min. Lesezeit

Wissenschaftlerin experimentiert im Labor mit Chemikalien

Die Erwartungen der Experten sind hoch. „In der Chirurgie gibt es in den Krankenhäusern Millionen abgeschlossener Fälle. Mit einer Auswertung dieser Fälle mithilfe künstlicher Intelligenz können wir die Erfahrungen aus diesen Behandlungen zukünftig teilen, auswerten und nutzen, um in Zukunft Patienten bestmöglich zu behandeln“, so Lena Maier-Hein, Professorin für computergestützte medizinische Eingriffe mit Schwerpunkt auf chirurgische Datenwissenschaft und Computergestützter Biophotonik am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ).

KI erkennt Tumorzellen

Ein gelungenes Beispiel für verbesserte Behandlungstechniken in der Medizin ist die Bildanalyse. In großen Krebsbehandlungszentren verwenden Strahlentherapeuten bei der Markierung von Tumorgewebe bereits KI- Algorithmen. Mit dieser Methode versucht die KI-Expertin Lena Maier-Hein mithilfe spezieller Spektralkamera-Daten die Durchblutung von Gewebe zu messen, es zu charakterisieren und zu differenzieren. Das schafft die eingesetzte Technik weitaus präziser, als es dem menschlichen Auge jemals gelingen könnte. Schon bald werden die Ergebnisse zu einer deutlichen Verbesserung der Krebsdiagnostik beitragen.

Maier-Hein sieht große Erfolgschancen bei der Anwendung von künstlicher Intelligenz in der Bildinterpretation und bei der Entscheidungsfindung. Chirurgische Eingriffe könnten bald mit KI optimiert werden. Während derzeit noch üblicherweise ein interdisziplinäres Team von Expertinnen und Experten mit ihren individuellen Erfahrungen über die Behandlung der Patienten entscheidet, können in naher Zukunft durch KI erschlossenes Wissen aus vergangenen Operationen bei der Entscheidungsfindung nützlich sein.

KI in der Medizin: bessere Qualität zu geringeren Kosten

Schon diese wenigen Beispiele zeigen: In der Medizin steht der große Durchbruch der KI bevor. Allein in Deutschland sollen die KI-Anwendungen in den Kliniken und Krankenhäusern bis 2030 eine Verbesserung der Behandlungsqualität um 30 Prozent und eine Kostensenkung um 20 Prozent ermöglichen, wie PricewaterhouseCoopers (PwC) für die stationäre Gesundheitsversorgung vorhersagt. Durch KI und Robotik sei bis zum Jahr 2026 weltweit gar mit einer Einsparung von rund 150 Milliarden US-Dollar in der Gesundheitsbranche zu rechnen, prognostiziert eine Studie von Accenture.

Experten nutzen dabei eine Kombination aus überwachtem (supervised learning) und selbständigen Lernen. Bei jeder Behandlung von Patienten entstehen sehr große Datenmengen. KI und Machine-Learning-Algorithmen können helfen, daraus neue Erkenntnisse zu gewinnen und Therapien zu verbessern.

Das Helmholtz Computational Health Center in München etwa trainiert seit Oktober dieses Jahres eine KI-Anwendung mit überwachtem Lernen. Wissenschaftler zeigen der KI bei der Bildanalyse von Tumorgeweben, was sie erkennen oder unterscheiden soll. Im nächsten Schritt soll die KI in großen Datenmengen selbstständig neue Muster und Zusammenhänge erkennen mit dem Ziel, zwischen Normalbefunden und auffälligen Veränderungen zu unterscheiden.

Nach Ende dieser Lernphasen ist das System in der Lage, unbekannte Bilder selbstständig zu klassifizieren und so beispielsweise Brustkrebs, Lungenkrebs oder Melanome anhand bildgebender Daten zu diagnostizieren.

Treffsichere Diagnosen durch Mensch + KI

Zudem macht die selbstlernende KI Besonderheiten im Zellstoffwechsel von Tumorzellen ausfindig. Das bewährt sich vor allem in der Radiologie und in der Krebsdiagnostik. Solcherart trainierte KI-Systeme erkennen Tumore auf Röntgen-, CT- oder MRT-Bildern bereits so präzise wie die menschlichen Experten der Radiologie. Das Zusammenspiel aber ist deutlich erfolgreicher als Mensch oder Maschine alleine.

Im Normalbetrieb der Kliniken und Krankenhäuser geht es beim KI-Einsatz darum, die KI-Software Bilder klassifizieren und auffällige Befunde kennzeichnen zu lassen. Dann können die Ärzte ihre Aufmerksamkeit auf die besonderen Fälle konzentrieren. KI-unterstützte Verfahren haben sich auch beim Netzhaut-Scan bewährt. Augenärzte wenden die Methode an, um Augenerkrankungen wie etwa eine diabetische Retinopathie zu erkennen. Denn die Retina des Auges ist ein Spiegelbild des Herz-Kreislauf-System. Sobald das kardiovaskuläre System beeinträchtigt ist, folgen daraus dauerhafte Veränderungen der Mikrogefäße im Auge.

Wissenschaftler arbeitet in Labor und stellt Medizin her
Wissenschaftler entwickeln mithilfe von KI wirksamere Therapien gegen Krebs, Herzinfarkte, Alzheimer und andere Geißeln der Menschheit.

Vielversprechend sind die Ergebnisse eines Versuchs an University of Leeds. Die Forscher haben ein KI-System mit Retina-Scans und zusätzlichen Metadaten trainiert, um an Veränderungen der Netzhaut mögliche Erkrankungen des Herzens zu erkennen. Nach Abschluss der Trainingsphase konnte das System die Größe und Pumpeffizienz des linken Ventrikels aus Retina-Scans plus zusätzlichen demographischen Daten abschätzen und daraus eine Prognose über das Herzinfarkt-Risiko in den kommenden zwölf Monate ableiten.

KI-basierte Netzhaut-Scans könnten künftig somit als effizientes und kostengünstiges Screening-Instrument eingesetzt werden, um Personen mit einem hohen kardiovaskulären Risiko frühzeitig zu identifizieren und Präventivmaßnahmen einzuleiten.

KI verbessert die Antibiotika-Therapie

Multiresistente Bakterien wie MRSA (Methicillin-resistente Staphylokokken) stellen gerade für schwerkranke Patienten in Krankenhäusern eine große Gefahr dar. Um Antibiotika-Resistenzen aufzuspüren und herauszufinden, welches Antibiotikum im speziellen Fall noch wirkt, müssen die Keime zunächst im Labor zeitintensiv kultiviert werden. Die Behandlung der Patienten lässt sich erst nach dem Labor-Ergebnis durchführen.

Für die Lösung dieses Problems hat ein Forschungsteam der ETH Zürich mit Methoden des maschinellen Lernens ein KI-basiertes System entwickelt, mit dem sich Antibiotika-Resistenzen bereits 24 Stunden vor den Ergebnissen des Labortests feststellen lassen. Dazu wurden vorhandene Massenspektrometrie-Datensätze aus mehreren Laboren verbunden und das KI-System darauf trainiert, Zusammenhänge zwischen bakteriellen Proteinen und Antibiotika-Resistenzen zu erkennen.

In einer Simulation einer bereits abgeschlossenen klinischen Fallstudie mit 63 Patienten empfahl die Künstliche Intelligenz in neun Fällen eine alternative Therapie. Tatsächlich hätte dies in acht Fällen zu einem besseren Ergebnis geführt. Auf diese Weise lassen sich KI-basierte medizinische Vorhersagemodelle dazu verwenden, bakterielle Infektionen gezielter zu behandeln und den Einsatz von Breitbandantibiotika zu verringern – so hoffen die Forschenden.

KI optimiert Krebsbehandlung

Hohe Erwartungen setzen Forscher in eine KI-Anwendung, die helfen könnte, individuelle Behandlungsstrategien in der Krebstherapie zu entwickeln. Denn nach wie vor besteht in der medikamentösen Krebsbehandlung das leidige Problem der Resistenz von Tumorzellen gegen die verwendeten Wirkstoffe.

Ein Apotheker, der eine Tablette in der Hand hält, unterstreicht mit seinem Engagement für eine exzellente Kundenbetreuung die Bedeutung einer individuellen Gesundheitsversorgung.
KI testet Wirkstoffkombinationen und Synergie-Effekte aus, optimiert dadurch die Krebstherapie.

Bisher versuchen die Ärzte, die Abwehr des Krankheitserregers durch Kombinationstherapien zu unterlaufen. Allerdings ist es mit herkömmlichen Mitteln nicht einfach, unter den zahlreichen Varianten die für den Patienten am besten geeignete Kombinationsstrategie zu entwickeln.

Dieser Unsicherheit soll nun ein Vorhersagemodell Abhilfe schaffen. Methoden des Deep Learning werten bekannte Datensätze zu Wirkstoffen und den Eigenschaften verschiedener Zelllinien aus und prognostizieren die Synergieeffekte verschiedener Wirkstoffkombinationen. Der Einsatz solcher Modelle könnte deutlich bessere Behandlungsstrategien erlauben, um die Überlebensrate und den Therapieerfolg von Krebspatienten zu verbessern.

Was KI in der Medizin leistet

Kosteneinsparung: Eine frühe Erkennung von Krankheiten, die Vermeidung unnötiger Tests und Behandlungen sowie eine effizientere Nutzung der Ressourcen senken die Kosten medizinischer Einrichtungen erheblich.

Zeitersparnis: KI automatisiert Routineaufgaben und verkürzt damit den Aufwand, den die Ärzteschaft und das medizinische Personal für diese Tätigkeiten aufbringen müssen. Dadurch bleibt mehr Zeit für komplexe medizinische Herausforderungen und für die Betreuung von Patienten.

Früherkennung und Diagnose: Die Auswertung großer Datenmengen durch KI ermöglicht es, Krankheiten frühzeitiger zu erkennen und präzisere Diagnosen zu stellen.

Fehlerreduktion: Der Beistand der KI bei der Diagnoseerstellung und der Planung der Behandlung verringert die Wahrscheinlichkeit von Fehlern.

Heilungserfolge: Mit KI-Hilfe sind genauere Diagnosen, personalisierte Behandlungen und eine bessere Betreuung möglich. Dies führt zu einer höheren Behandlungserfolgsrate und zu einer schnelleren Genesung der Patienten.

Personalisierte Medizin: Die Analyse von Patientendaten durch KI erlaubt es, individualisierte Behandlungspläne zu erstellen, die exakt auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten zugeschnitten sind.

Risikobewertung: KI kommt bei der Prognose des Risikos von Krankheiten zum Einsatz Dies hilft den behandelnden Ärztinnen und Ärzten bei der Entscheidung für die besten Präventivaktionen.

Medikamentenentwicklung: In der Arzneimittelforschung unterstützt KI dabei, potenzielle Wirkstoffe zu identifizieren, klinische Studien zu optimieren und den Entwicklungsprozess insgesamt zu verbessern.