SAP liefert marktführend standardisierte ERP-Softwarebündel für eine effiziente Unternehmenssteuerung. Die auslaufende ERP-Version SAP R/3 bekam noch die Gnadenfrist einer um zwei Jahre verlängerten Wartungszeit bis nun regulär 2027. Bis dahin – so wünscht SAP – sollten die Kunden auf die Nachfolgeversion SAP S/4HANA umgestiegen sein. Ob das auch die weltweit über 400.000 SAP-Kunden wünschen, ist allerdings nicht sicher. Denn bisher hat nur ein Bruchteil von etwa 5 Prozent von ihnen den Umstieg auf die Nachfolgeversion eingeleitet. Bei diesen Zahlen darf man fragen, ob SAP-Kunden die Transformation auf S/4HANA als notwendiges Übel sehen, zu dem sie gedrängt werden, oder ob sie die Vorteile und den Mehrwert für die Zukunftsfähigkeit ihres Unternehmens erkennen. Schließlich ist ein ERP-System das IT-Rückgrat vieler Unternehmen.
1. Was genau ist SAP HANA und SAP S/4HANA?
Basis für die ERP-Suite S/4HANA ist die In-Memory-Plattform SAP HANA. HANA steht für High Performance Analytic Appliance und wurde von einer Datenbank weiterentwickelt zur offenen Plattform, auf der mehr und mehr Anwendungen basieren.
So auch die ERP-Software SAP S/4HANA, die vierte Generation Unternehmenssoftware von SAP. SAP erweitert mit ihr die ERP-Software-Produktlinie, die alle alltäglichen Prozesse eines Unternehmens abdeckt. Die Software bietet sowohl Funktionen des täglichen Geschäfts als auch spezielle Branchenlösungen. Die bekannten SAP-Produkte (SAP SRM, SAP CRM und SAP SCM) sind enthalten.
Häufig benötigte Funktionalitäten sind von vornherein in S/4HANA enthalten, dazu gehört die Textanalyse, aber auch Werkzeuge zur vorausschauenden Analyse und Data Mining zur Analyse großer Datenmengen. Andere Funktionen stehen ergänzend zur Verfügung. Beispiele für die inzwischen etwa 70 Spezialanwendungen von S/4HANA sind:
- Nutzung intelligenter Technologien wie Künstlicher Intelligenz, maschinellem Lernen oder weiterer Analysemöglichkeiten
- Analytics Cloud für detaillierte Analysen der Finanzplanung in Echtzeit
- Predictive Analytics zur Verbesserung von Transportplanung, Kommissionierung, Verpackung und Versand
- Intelligente Prozessautomatisierung für die Fertigung mit vorausschauender Materialplanung
- Workflows für Angebote und Kundenaufträge
HANA – Plattform und Datenbank
Die In-Memory-Technologie der HANA-Datenbank und -Plattform steht für eine neue Generation von IT-Infrastruktur. Während In-Memory-Add-Ons der Wettbewerber Kopien von Daten erstellen, die im Arbeitsspeicher verarbeitet werden, verzichtet SAP darauf komplett. Der Vorteil: Schnelligkeit, keine Daten-Redundanz.
S/4HANA – Die ERP-Software-Suite zur Unternehmenssteuerung
Die ERP-Software: S/4HANA ist die Standardsoftware für Enterprise Resource Planning (ERP) von SAP zur Steuerung von Unternehmen und ermöglicht mit einfachen Benutzeroberflächen die Verknüpfung von operativen und analytischen Funktionen u.a. für Echtzeitanalysen.
Fiori – Die Benutzeroberfläche
Die Benutzeroberfläche: Fiori ist die Benutzeroberfläche der Echtzeit-Suite SAP S/4HANA und versteht sich als SAP-Anwendungsoberfläche im Zeitalter von Industrie 4.0.
2. Wie nutzen Kunden S/4HANA?
Eine Lünendonk-Studie unter mehr als 100 IT-Verantwortlichen in Deutschland gibt Auskunft über die mittelfristigen Pläne der Auslagerung der ERP-Systeme in die Cloud.
Eine deutliche Mehrheit von 61 Prozent der befragten Unternehmen setzt für den ERP-Betrieb auf die Hybrid Cloud. Zum Vergleich: 2019 gaben nur 14 Prozent der Unternehmen an, ihre
S/4HANA-Installationen in die Hybrid Cloud zu schieben, und eine klare Mehrheit von 56 Prozent bevorzugte den On-Premise-Betrieb. Allerdings bestehen bei einem Teil der SAP-Kunden auch weiterhin Vorbehalte gegenüber der Cloud: 21 Prozent der IT-Entscheider gaben an, die ERP-Systeme nicht in die Cloud verschieben, sondern im ausschließlichen On-Premise-Betrieb bleiben zu wollen. Ob diese Unternehmen jedoch mit dem Verzicht auf die Cloud-Nutzung die notwendige Flexibilisierung und Skalierung in den ERP-Prozessen erreichen, um die Prozesswelt weiter zu digitalisieren und die IT auf die kommenden Zukunftsthemen (KI, IoT, digitale Geschäftsmodelle) auszurichten, ist sehr fraglich.
3. Notwendigkeit und Treiber einer Umstellung auf S/4HANA
Die bisherigen SAP-R/3-Lösungen für ERP unterstützten auch Datenbanken von Oracle, Microsoft und IBM. 2020 hatte SAP die Wartungsverlängerung seiner ERP-Version SAP R/3 bis 2027 angekündigt. Support und Wartung sollten ursprünglich 2025 eingestellt werden, SAP-Kunden hätten ihre Transformation von R/3 auf S/4HANA somit bis dahin abgeschlossen haben müssen. Nun haben sie eine Fristverlängerung. Etwa 17.000 Kunden setzten bis Mitte 2021 auf S4/HANA, eine Lösung, die bereits seit 2015 am Markt ist. Sehen SAP-Kunden eine Migration auf S/4HANA als notwendiges Übel an? Fühlen sie sich von dem Hersteller gedrängt? Sehen sie zu wenig Vorteil und Mehrwert für ihr Unternehmen?
Wesentliche Gründe für eine Umstellung sind die Modernisierung der IT-Landschaft, der Aufbau digitaler und datenbasierte Geschäftsmodelle, die zunehmend digitalen Geschäftsabläufe und die Prozessautomatisierung sowie der gestiegene Druck zum Ausbau des Digital Workplace. S/4HANA wird als ein zentrales Element der Digitalisierung anerkannt und auch eine höhere Datenqualität konzediert; gleichzeitig erwarten viele einen geringeren Wartungs- und Pflegeaufwand.
Dennoch haben auch in der Folge der Corona-Pandemie zunächst Kostengründe zu einer vorläufigen Rückstellung bzw. einer langsameren Transformation bei nahezu der Hälfte (46 %) der befragten Unternehmen geführt. Der Großteil der Umstellungen ist für 2021 und später geplant. Denn viele IT-Verantwortliche finden es schwer, die hohen Investitionen in das neue ERP-Produkt zu begründen – vor allem, weil selbst bei (großen) mittelständischen Unternehmen mit einem mittleren Millionenbudget für die Umstellung zu rechnen ist ‒ und sich diese Investitionen ohne hohe Umsätze mit digitalen Geschäftsmodellen nur schwer amortisieren.
Für etwa jedes zweite Unternehmen (54 %) ist die Notwendigkeit zum Aufbau neuer (digitaler) Geschäftsmodelle einer der Hauptgründe, die S/4HANA-Migration fokussiert und beschleunigt vorantreiben. Im Umkehrschluss sehen 46 Prozent der Studienteilnehmer keine oder nur eine geringe Notwendigkeit, auf S/4HANA umzustellen. So scheinen digitale Geschäftsmodelle weiterhin für einen Teil der SAP-Kunden nicht von besonders hoher strategischer Relevanz zu sein.
4. Stand der Umstellung auf SAP S/4HANA
Immerhin wächst der Anteil derer, die auf S/4HANA in naher Zukunft umstellen werden. Ein knappes Viertel der 170 von der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) Befragten erklärte, die neueste Softwaregeneration aus dem Hause SAP bereits einzusetzen. Jeder fünfte Betrieb steckt eigenen Angaben zufolge aktuell in der Migration. Die Mehrheit der von der DSAG befragten deutschen SAP-Kunden hat allerdings noch einen weiten S/4HANA-Weg vor sich. 37 Prozent planen derzeit ein entsprechendes Projekt, haben aber noch nicht angefangen.
Auch in einer repräsentativen Lünendonk-Umfrage zur Umstellung auf S/4HANA gibt die überwiegende Mehrheit (87 %) der SAP-Kunden an, ihre ERP-Modernisierung bis 2025 vollständig abschließen zu wollen. Die Verlängerung der Wartungsunterstützung durch SAP gibt ihnen dabei mehr Zeit für eine strategische Planung und sorgfältige Umsetzung.
In Folge der vielen Vorteile, die sich die Unternehmen von einer ERP-Umstellung auf S/4HANA bei ihrer digitalen Transformation versprechen, nimmt die ERP-Modernisierung laut Lünendonk-Studie 2021 „Der Markt für IT-Beratung und IT-Service in Deutschland“ neben vielen anderen Themen einen gewichtigen Teil bei den IT-Investitionen ein. So werden 48 Prozent stark bzw. sehr stark in die ERP-Umstellung investieren.
5. Fazit und Ausblick
SAP S/4HANA ist ein heiß diskutiertes Thema – und das zurecht. Der Walldorfer Softwareanbieter möchte seinen Kunden eine neue Generation an ERP-Software zur Verfügung stellen, um die digitale Transformation zu meistern. Doch die Notwendigkeit einer Umstellung auf die neue Version teilen nicht alle Unternehmen. Es gilt, die individuellen Voraussetzungen und Einflussfaktoren zu analysieren und die daraus resultierenden Mehrwerte aufzuzeigen. SAP ist somit in der Pflicht, seinen Kunden und Partnern Lösungswege aufzuzeigen. Ob das neue Full-Service-Angebot „RISE with SAP“ diese Lösung ist, wird sich zeigen.