Quantencomputer scheinen der Heilige Gral der IT zu sein: Sie sollen bei der Entdeckung von neuen Medikamenten helfen, revolutionäre Werkstoffe erfinden, beliebige Verschlüsselungen knacken, Finanzmärkte berechenbar machen und den Klimawandel bekämpfen. Das sind nur einige der großartig klingenden Behauptungen. Diese Versprechen haben sogar dazu geführt, dass in den letzten Monaten einige Aktien von Quanten-Computing-Unternehmen um tausend Prozent gestiegen sind.
Was ist also an dem Thema dran? Es gibt zwar einige Quantencomputer von unterschiedlichen Herstellern. Doch sie machen im Moment nichts, das ein herkömmliches High-Performance-Rechenzentrum nicht auch könnte. Denn sie sind nicht so einfach herzustellen und Fließbandware sind sie schon gar nicht. Die bisher konstruierten Einzelstücke erfordern ungewöhnliche Technologien wie supraleitende Schaltkreise oder optische Ionenfallen. Zudem funktionieren einige der bisherigen Geräte nur nahe dem absoluten Nullpunkt, benötigen also eine ultratiefgekühlte Umgebung. Und gewöhnliche Software arbeitet auf ihnen schon gar nicht.
Quantencomputer: weder Null noch Eins
Quantencomputer erfordern eine neuartige Hardware und Software, da sie die Eigenschaften des subatomaren Bereiches nutzen. Kern der Technologie sind Quantenbits (Qubits). Sie können einen sogenannten Überlagerungszustand einnehmen. Darin sind sie weder eine digitale Eins noch eine digitale Null, sondern unbestimmt und in gewisser Hinsicht beides gleichzeitig. Dank dieser besonderen Quanteneigenschaften können Quantencomputer parallele Berechnungen auf eine Weise ausführen, die normale Computer nicht beherrschen oder für die sie viel zu langsam sind.
Es gibt bereits erste Quantencomputer, die ein paar hundert Qubits umfassen und als Forschungsobjekte genutzt werden. Doch wirklich sinnvolle Aufgaben erledigen sie nur dann, wenn sie über einige Millionen Qubits verfügen. Ein Beispiel: Um einen starken RSA-Schlüssel mit 2048 Bit Länge zu berechnen, benötigt ein Quantencomputer mit 20 Millionen Qubits etwa acht Stunden. Zum Vergleich: Ein moderner Supercomputer würde etwa 300 Billionen (!) Jahre benötigen. Doch bisher ist noch nicht absehbar, wann es einen Quantencomputer mit diesen Fähigkeiten geben wird.
Exponentielle Entwicklung erwartet
Damit könnte das Thema also abgeschlossen sein. Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn Informatiker sind überzeugt, dass es einen solchen Computer in ein paar Jahren geben wird. Man betrachte nur die Entwicklung von KI und neuronalen Netzen. Seit etwa 15 Jahren gibt es Computer mit einer Rechenleistung, die den praktischen Einsatz von größeren neuronalen Netzen erlaubt. Das hat eine Entwicklung in Gang gesetzt, die zu den bekannten großen Sprachmodellen mit ihren verblüffenden Fähigkeiten führte. Der Fortschritt verläuft dabei exponentiell. Die meisten Experten erwarten eine ähnlich stürmische Entwicklung auch bei Quantencomputern.
Es gibt viele Forschern und eine ganze Reihe Startups, die an der Entwicklung eines brauchbaren Quantencomputers arbeiten. Ihr großes Ziel: das Erreichen der sogenannten Quantenüberlegenheit, also des Zeitpunkts, an dem Quantencomputer herkömmlichen Computern überlegen sind. Bisher ist es noch nicht so weit, die Entwickler von Quantencomputern tasten sich langsam voran. So besitzt der im Dezember 2024 vorgestellte Quantenprozessor Willow von Google nur 105 Qubits. Er hat aber erstmals eine vollständige Fehlerkorrektur und über kurze Zeiträume stabile Überlagerungszustände erreicht. Damit führt er in weniger als fünf Minuten Berechnungen aus, für die ein klassischer Supercomputer viele Millionen Jahre benötigen würde.
Sichtbare Fortschritte, aber nicht für den Alltag
Ein Durchbruch mit Einschränkung, denn Willow ist kein universeller Quantencomputer. Er kann lediglich einige exotische und wenig praxistaugliche Rechenprobleme lösen. Ähnlich sieht es auch bei IBM aus. Das Unternehmen hat bereits Mitte 2023 einen Prozessor mit 1121 Qubits präsentiert – das Quantum System Two. Das klingt besser als Google, doch ein Vergleich ist schwierig. IBM nutzt den pragmatischen Ansatz der Fehlerminderung und keine vollständige Fehlerkorrektur. Dafür benötigt es mehr Qubits als Google. So gibt es auch bei IBM Fortschritte, aber wenig Eignung für den Alltag.
Zudem scheint das Unternehmen auf seiner eigenen Quantum-Computing-Roadmap festzustecken: Quantum System Two ist bisher noch nicht abgelöst, der angekündigte Quantenprozessor mit 4000 Qubits noch nicht erschienen. Die Entwicklung verläuft also doch nicht so schnell, wie Optimisten annehmen. Trotzdem ist es sinnvoll, sich auf die ersten echten Quantencomputer vorzubereiten. Denn sie werden sofort ein großes Problem aufwerfen: die meisten herkömmlichen Verfahren der Verschlüsselung von Daten sind nicht quantensicher, können also von einem dieser Computer leicht geknackt werden.
Viele Verschlüsselungsverfahren nicht mehr sicher
Bereits in den 1990er Jahren haben Mathematiker bewiesen, dass ein Großteil der heute genutzten kryptografischen Verfahren nicht mehr sicher sind, wenn ein hinreichend großer und verlässlicher Quantencomputer sie zu knacken versucht. Deshalb arbeiten Mathematiker an der sogenannten Post-Quanten-Kryptographie. Sie basiert auf mathematischen Verfahren, an denen sich nach heutiger Kenntnis selbst Quantencomputer die Zähne ausbeißen. Einige dieser Verfahren sind bereits standardisiert und bereit für den Einsatz in der Praxis.
Es ist für Unternehmen deshalb empfehlenswert, sich zumindest mittelfristig auf quantensichere kryptografische Verfahren einzustellen und den Markt genau zu beobachten. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSG) hat dafür einen Leitfaden erstellt, der grundlegende Informationen enthält. Darüber hinaus gibt es eine technische Richtlinie mit Empfehlungen und Hinweisen zu Algorithmen und Schlüssellängen.
Noch scheint das von geringer praktischer Relevanz zu sein, doch Unternehmen sollten bedenken: Es kostet Zeit, sämtliche Datenbanken und Dokumentenarchive auf ein neues quantensicheres Verfahren umzustellen. Denn wenn es in Zukunft tatsächlich leicht verfügbare Quantencomputer gibt, werden sie auch Cyberkriminellen zur Verfügung stehen.