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So schaffen Unternehmen ein innovationsfreundliches Klima

Professor Sebastian Vogt empfiehlt Unternehmen Startup- und Innovationsprogramme, warnt aber gleichzeitig vor zu viel "Hipstertum". Denn am Ende zählen die harten Fakten.

18. Oktober 2023

5 Min. Lesezeit

Bild von mehreren Personen, die im Büro zusammen vor einem Laptop sitzen und sich unterhalten.

Bis etwa 2020 gab es einen wahren Startup-Boom mit zahlreichen Unicorns und millionenschweren Fundings. Dieser Hype scheint vorerst vorbei zu sein. Bewertungen und Fundings gehen zurück, der Markt beruhigt sich, stellt mm1 – a valantic company – in seinem Startup- und Innovationsmonitor 2023 fest. Das Vertrauen in Startup- und Innovationsprogramme bleibe aber weiterhin bestehen, betonen die Manager*innen und Berater*innen der Studie. Im Fokus der aktuellen Programme stünden vor allem technologische Entwicklungen wie Künstliche Intelligenz, das Metaverse, Data Science und Cloud-Plattformen.

Unternehmen können von Startup- und Innovationsprogrammen, die über „den Tellerrand hinaus“ denken, nach wie vor stark profitieren. Worauf es darauf ankommt, erläutert Prof. Dr. Sebastian Vogt, Geschäftsführer des Technologietransfer- und Existenzgründungs-Center der Universität Paderborn, in unserem Interview.

Herr Professor Vogt, was macht ein gutes Startup- und Innovationsprogramm aus und wovon können Teilnehmer*innen am meisten profitieren? Welche Vorteile ergeben sich sowohl aus Unternehmens- als auch aus Startup-Sicht?

Vogt: Teilnehmende als auch Unternehmen können von Innovationsprogrammen enorm profitieren. Ein eindrucksvolles Beispiel zeigt der Bereich Intrapreneurship. Intrapreneurship bedeutet, dass das Unternehmertum aus sich selbst heraus lernen kann, wobei vor allem die Mitarbeitenden im Unternehmen befähigt werden, selbst Unternehmer*innen zu werden.

Unternehmen trauen sich auf Basis derartiger Programme häufiger, neue Denkanstöße zu testen und so auch einmal „über den Tellerrand hinaus“ denken.“

Professor Dr. Sebastian Vogt, Universität Paderborn

Für die Mitarbeitenden ist die Teilnahme an solchen Programmen oft eine zusätzliche Motivation und zugleich Qualifikation, so dass sie im Anschluss an derartige Programme unternehmerisches Denken und Handeln in ihre alltägliche Arbeitswelt überführen können. So werden sie zu unternehmensinternen Innovatoren und gestalten die zukünftigen Entwicklungen des eigenen Unternehmens aktiv mit. Hinzu kommt, dass sich Unternehmen auf Basis derartiger Programme häufig eher trauen, neue Denkanstöße zu testen und so auch einmal „über den Tellerrand hinaus“ denken.

Welche Trends und Veränderungen haben Sie in den vergangenen Jahren im Angebot von Startup- und Innovationsprogrammen beobachtet?

Vogt: Derartige Programme haben in den vergangenen Jahren verstärkt an Zulauf gewonnen, wenngleich man erkennt, dass aktuell eine Konsolidierung stattfindet.

Gerade in den bekannten Hotspots haben viele Unternehmen Inkubatoren eröffnet, mit dem Ziel, eigene Corporate-Startups hervorzubringen und gleichzeitig als Anlaufstellen für externe Startups zu fungieren. Meiner Meinung nach hat da an vielen Stellen jedoch die unternehmerische Ernsthaftigkeit gefehlt. Zugespitzt formuliert, ist das Ganze vielleicht etwas ins „Hipstertum“ abgedriftet, so dass belastbare Erfolge und Erwartungen oft nicht erzielt werden konnten, weshalb die Führungskräfte der betroffenen Corporates derartige Programme aktuell besonders kritisch hinterfragt. Am Ende zählen eben doch die harten Fakten und es wird geprüft, wie viele Startups wirklich aus den Aktivitäten hervorgegangen sind bzw. wie viele Innovationen man erzielen und in das etablierte Unternehmen reintegrieren konnte.

Es scheint, als müssten sich aktuell einige eingestehen, dass sie sehr viel Geld in die Hand genommen haben, aber ihre Programme am Ende des Tages nicht unbedingt die an sie gerichteten Erwartungen erfüllen konnten. Gleichzeitig zeigt sich jedoch auch, dass die Qualität der professionalisierten Programme über die Zeit hinweg zunimmt

Und was konnte bezüglich der Inhalte und Vielfalt solcher Programme festgestellt werden?

Vogt: Allein das Angebot derartiger Programme zeigt, dass wir über unterschiedliche Branchen hinweg vor enormen technologischen Herausforderungen stehen. Die inhaltliche Ausgestaltung und Vielfalt der Programme ist dabei in ihrer Qualität sehr unterschiedlich. Dies merken wir auch in unserem Startup Ökosystem in Ostwestfalen-Lippe. Mit unserem Ökosystem befinden wir uns in einer der wirtschaftsstärksten Regionen Europas mit vielen Hidden Champions, gerade im produzierenden Gewerbe. Bei den Corporates in unserem Umfeld geht es häufig darum, die Schnittstelle zwischen der IT und dem physischem Produkt zu schaffen. Die Frage ist oft: „Wie werden unsere Maschinen intelligent?“

In vielen Unternehmen gibt es dazu schon gute Ideen. Die Herausforderung liegt aber darin, Ideen nicht nur im Kopf zu behalten, sondern sie tatsächlich in die Umsetzung zu überführen. Genau hier stoßen viele Unternehmen vor Herausforderungen, da ihnen oftmals die notwendigen Ressourcen fehlen, um Ideen auf Marktchancen sowie Umsetzbarkeit zu testen. So sind zum einen die eigenen Experten so stark im Arbeitsalltag gebunden, dass sie nicht ohne weiteres zum Experimentieren an Ideen arbeiten können. Zum anderen sind die Produktionsstätten oftmals ausgelastet und teils hoch sensibel, so dass ein Testen neuer Verfahren hohe Rüstzeiten und Risiken mit sich bringen würde.

Wir binden ganz gezielt „junge Wilde“ – Studierende und Wissenschaftler*innen – in unsere Innovationsvorhaben ein.“

Professor Dr. Sebastian Vogt, Universität Paderborn

Beiden Herausforderungen begegnen wir in einer Zusammenarbeit zwischen Universität und Corporate sehr proaktiv. So binden wir einerseits gezielt „junge Wilde“ – Studierende und Wissenschaftler*innen – in Innovationsvorhaben ein, um u.a. Kapazitäten freizusetzen. Zum anderen haben wir in unserem neuen Startup Campus.OWL einen Maker Space aufgebaut, um in unterschiedlichen Werkstätten auf über 1.000 Quadratmetern Prototypen generieren und testen zu können.

Was ist Ihr Tipp für Unternehmen, die daran interessiert sind, ein erfolgreiches Startup-Programm aufzubauen?

Vogt: Da gibt es mit Sicherheit zahlreiche Tipps und Herangehensweisen, aber was ich in der Corporate-Welt wahrnehme, ist, dass es nicht an Ideen mangelt! Unternehmerinnen und Unternehmer wissen oft ganz genau, welche Themen sie angehen müssten – aber es bleibt eben beim „Man müsste mal …“. Wie beschrieben, haben Entscheidungsträger*innen meist nicht die Ressourcen, um disruptive Innovationen, also diejenigen mit hohem Potential und gleichzeitig hohem Risiko, voranzutreiben. Meine Erfahrung zeigt, dass die Zusammenarbeit mit Hochschulen hier eine „Win-Win-Situation“ für alle Beteiligten bringen kann.

Wir bieten in unserem Exzellenz Startup Center in Paderborn dafür gezielt Formate, in denen wir die „jungen Wilden“ aus der Hochschule mit erfahrenen Mitarbeiter*innen aus den Unternehmen zusammenbringen, um gemeinsam Innovationen zu entwickeln. Diese Ideen werden dann aber nicht nur im Workshop erarbeitet, sondern auch wirklich im Unternehmen umgesetzt. Oft bleiben die Studierenden nach einem solchen Format als Gründer*in eines Corporate-Startups im Unternehmen und lassen die Ideen Realität werden.