Große KI-Umfrage: Mehrheit wünscht sich stärkeren KI-Einsatz

Die Mehrheit der Deutschen steht KI positiv gegenüber. Aber Rechtsunsicherheit und Regularien bremsen bislang den Einsatz.

16. Oktober 2024

6 Min. Lesezeit

Multikultural Team working in modern office

KeyFacts

*** Jedes fünfte Unternehmen setzt KI bereits ein

*** Bei generativer KI ist die deutsche Wirtschaft noch zurückhaltend

*** 4 von 10 Deutschen haben inzwischen ChatGPT & Co. zumindest einmal ausprobiert

Die deutsche Wirtschaft nimmt bei Künstlicher Intelligenz Fahrt auf. Erstmals beschäftigt sich mehr als die Hälfte (57 Prozent) der Unternehmen mit KI. Jedes fünfte Unternehmen (20 Prozent) nutzt bereits KI. Vor einem Jahr waren es erst 15 Prozent, 2022 nur 9 Prozent.

Mehr als jedes Dritte (37 Prozent) plant oder diskutiert derzeit den KI-Einsatz. Zugleich sehen aktuell rund drei Viertel (78 Prozent) in KI Chancen für Ihr Unternehmen, vor einem Jahr waren es erst zwei Drittel (68 Prozent). 12 Prozent sehen derzeit KI als Risiko, 8 Prozent glauben, dass KI keinen Einfluss auf ihr Unternehmen hat.

Im laufenden Jahr investieren 37 Prozent aller Unternehmen in KI. In den kommenden Jahren wollen sogar drei Viertel (74 Prozent) in KI investieren. Auch in der Bevölkerung überwiegt bei KI die Chancenperspektive deutlich: 74 Prozent der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger sehen KI als Chance, 24 Prozent als Risiko. Das sind Ergebnisse zweier repräsentativer Umfragen unter 602 Unternehmen sowie 1.007 Personen ab 16 Jahren in Deutschland, die der Digitalverband Bitkom vorgestellt hat. „Es gibt in Deutschland eine große Offenheit gegenüber KI und große Erwartungen an KI, sowohl in der Wirtschaft als auch in der Bevölkerung. Mit KI werden in vielen Bereichen die Karten neu gemischt. Für Deutschland muss das heißen: Wir wollen nicht nur mitspielen, wir wollen gewinnen“, sagt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst.

Wo sich die Menschen KI wünschen

In zahlreichen Lebensbereichen wünschen sich die Menschen den Einsatz von KI. Eine deutliche Mehrheit befürwortet die KI-Nutzung bei der Cybersicherheit (80 Prozent), in der Verwaltung sowie in Verkehr und Mobilität (je 78 Prozent), im Gesundheitswesen (75 Prozent), für Umwelt und Nachhaltigkeit (67 Prozent), bei der Polizei (66 Prozent) und im Bildungswesen (59 Prozent). Etwa die Hälfte der Bevölkerung wünscht sich KI im Online-Handel (55 Prozent), bei Banken und Versicherungen (53 Prozent), in der Justiz (50 Prozent), im Sport (48 Prozent) sowie beim Militär (46 Prozent). Am geringsten fällt die Befürwortung in der Politik (42 Prozent), im Rechtswesen (41 Prozent) sowie in Kunst und Kultur (38 Prozent) aus. „Die Menschen sehen die Potenziale von KI und wollen, dass sie auch genutzt werden. Wer zum Beispiel auf seinem Smartphone KI erlebt, will diesen Komfort auch im Umgang mit Behörden und öffentlichen Einrichtungen“, so Wintergerst.

Eine besondere Bedeutung gewinnt derzeit die generative KI. Dabei stellen Nutzerinnen und Nutzer in natürlicher Sprache Fragen oder erteilen Anweisungen und die KI erzeugt daraufhin Texte, Bilder, Videos, Musik oder auch Programmcode. Inzwischen haben 4 von 10 Deutschen (40 Prozent) solche generative KI wie ChatGPT, Google Gemini, Claude von Anthropic oder Microsoft Copilot zumindest einmal ausprobiert: 15 Prozent verwenden generative KI häufig, 13 Prozent selten und 12 Prozent haben es bislang beim einmaligen Test belassen. Wer generative KI verwendet hat, erzeugt damit überwiegend Texte (70 Prozent), dahinter folgen Bilder (53 Prozent) und danach mit weitem Abstand Videos (9 Prozent), Software-Code (5 Prozent) sowie Musik (3 Prozent).

Erst neun Prozent der Unternehmen nutzt GenAI

Die Unternehmen sind beim Trend-Thema generative KI gespalten. Jedes zweite (48 Prozent) geht davon aus, dass Unternehmen, die generative KI nicht nutzen, keine Zukunft haben. Ebenfalls knapp jedes zweite Unternehmen (46 Prozent) sagt umgekehrt, dass generative KI zwar spektakulär aussieht, aber im Unternehmen nur wenig Nutzen bringt. Bisher sind viele Unternehmen beim Einsatz generativer KI noch zurückhaltend. Erst 9 Prozent nutzen generative KI, 18 Prozent planen den Einsatz. Weitere 19 Prozent können sich eine Nutzung zumindest vorstellen. 

Generative KI vor allem im Kundenkontakt und Marketing

Am häufigsten wird generative KI derzeit im Kundenkontakt (89 Prozent) verwendet. Dahinter folgt mit deutlichem Abstand der Einsatz im Marketing und in der Kommunikation (40 Prozent). Jeweils rund ein Fünftel setzt generative KI in Forschung und Entwicklung (20 Prozent) sowie innerhalb von Produktionsabläufen (17 Prozent) ein. Im Management verwenden nur 7 Prozent generative KI, in der Personalabteilung gerade einmal 3 Prozent und 2 Prozent in der IT-Abteilung. Ebenfalls 2 Prozent verwenden generative KI allgemein für das Wissensmanagement und nur 1 Prozent in der Rechts- bzw. Steuerabteilung.

Bei den Beschäftigten stößt der Einsatz generativer KI mehrheitlich auf Zustimmung, es gibt aber auch Widerstand. 24 Prozent der Erwerbstätigen wünschen sich auf jeden Fall KI-Hilfe bei ihrer Arbeit, 33 Prozent stehen dem eher offen gegenüber. 20 Prozent lehnen das eher ab, ebenfalls 20 Prozent wollen auf keinen Fall Unterstützung von einer KI. 13 Prozent geben an, dass sie bereits generative KI nutzen, die ihnen Aufgaben abnimmt.

Bessere Analyse und schnellere Prozesse

Als größte Vorteile der Technologie bezeichnen jene Unternehmen, die bereits generative KI einsetzen, schnellere und präzisere Problemanalysen (70 Prozent) sowie beschleunigte Prozesse (63 Prozent). Für 62 Prozent liefert generative KI Expertenwissen, das sonst nicht im Unternehmen verfügbar ist. 59 Prozent sagen, generative KI mache Unternehmen zukunftsfähig, und 55 Prozent sehen eine gestärkte Wettbewerbsfähigkeit.

Aber es gibt auch eine Vielzahl von externen und internen Hemmnissen für den Einsatz generativer KI. So haben 82 Prozent der Unternehmen Sorge vor künftigen rechtlichen Einschränkungen der Technologie, 73 Prozent fühlen sich durch Anforderungen an den Datenschutz behindert und 68 Prozent sind durch rechtliche Hürden und Unklarheiten verunsichert. „Die Unternehmen brauchen schnell Rechtssicherheit, damit wir bei Entwicklung und Nutzung von KI international auf Augenhöhe kommen. Die Politik ist gefordert, die Regulierung so auszugestalten, dass Deutschland zu einem führenden KI-Standort wird“, so Wintergerst. „Wir dürfen der Künstlichen Intelligenz keinen regulatorischen Klotz ans Bein binden.“

Deutsche Unternehmen sehen USA und China als führend

Nach Ansicht der deutschen Wirtschaft machen die USA und China derzeit das Rennen bei generativer KI unter sich aus. So sehen 36 Prozent die USA als führend bei dem Thema an, 32 Prozent China. Auf dem dritten Platz liegt bereits mit deutlichem Abstand Israel mit 4 Prozent vor Japan (3 Prozent) und Südkorea (2 Prozent).

Deutschland spricht gerade einmal 1 Prozent der Unternehmen eine Führungsrolle zu, Europa insgesamt 3 Prozent. Jedes zehnte Unternehmen (10 Prozent) sieht derzeit keine Nation als führend an.

Zugleich fordern 7 von 10 Unternehmen (71 Prozent), dass die Politik deutsche Anbieter von generativer KI stärker fördern sollte. 72 Prozent sind der Meinung, dass die Politik in Rechenzentren für KI investieren sollte, um Einsatz und Entwicklung von KI in Europa voranzubringen. 64 Prozent wollen, dass Deutschland allgemein mehr Mittel für KI-Forschung und KI-Entwicklung bereitstellt. Rund drei Viertel (74 Prozent) beklagen, dass die Politik in Deutschland das Thema KI zu lange nicht ernst genommen hat.

„Wir waren in Deutschland lange Zeit führend bei der KI-Forschung und hatten als eines der ersten Länder eine KI-Strategie. Heute haben wir eine Reihe vielversprechender KI-Startups, mit DeepL oder Aleph Alpha auch große Player und gewichtige Industrieunternehmen, die frühzeitig auf KI gesetzt haben. Trotzdem laufen wir jetzt beim Thema generativer KI vor allem den USA hinterher“, so Wintergerst. „KI und insbesondere generative KI wird zu einer Basistechnologie. Politik, Wirtschaft und Wissenschaft müssen gemeinsam dafür sorgen, dass wir bei KI eine weltweite Führungsrolle erreichen – und zwar sowohl bei Forschung und Entwicklung als auch bei der Anwendung im Markt.“