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eHealth in Deutschland – es tut sich was, aber nicht genug

In deutschen Arztpraxen und Apotheken tut sich was in Sachen eHealth. Im internationalen Vergleich hinkt das Land aber immer noch hinterher. Woran liegt das?

8. Dezember 2022

6 Min. Lesezeit

Bild von einer Person, die auf ein Laptop tippt, Vier von zehn Unternehmen setzen ausschließlich auf digitale Bewerbungen Quelle: unsplash/Glenn Carstens-Peters

eHealth in Deutschland: Viele Arztpraxen und Apotheken waren anfangs überfordert, als sie im ersten Jahrzehnt plötzlich lernen mussten, mit den Krankenkassen elektronisch abzurechnen. Seit dem 1. September 2022 können Apotheken nun sogar E-Rezepte annehmen. Der Fachverband ABDA fand das im Juni begrüßenswert und hat festgestellt, dass im ersten Monat bereits über 10.000 Apotheken entsprechende Terminals eingerichtet hatten. Für viele Ärzt*innen wie Patient*innen ist das eine große Erleichterung. Zusätzlich vereinfacht sich damit auch die Beschaffung verschreibungspflichtiger Medikamenten, die Endverbraucher über Online-Apotheken beziehen. 

Solche Schritte nach vorn konzedieren nun auch der Digitalverband Bitkom und die Ärztevereinigung Hartmannbund. Überschrieben mit „In Praxis und Klinik: Medizin wird digitaler – auch in Deutschland“ hat Bitkom Mitte Oktober 2022 eine Gemeinschaftsstudie veröffentlicht, die bestätigt, dass Deutschland aufholt. Dennoch kritisieren mehr als drei Viertel (78 Prozent) der befragten Ärzteschaft, dass Deutschland bei der Digitalisierung immer noch hinter anderen Ländern herhinke.  
 
Die Bertelsmann-Stiftung hat dazu die Gesundheitssysteme von 17 Ländern miteinander verglichen. Zwar loben die Autoren der Studie die Verabschiedung des E-Health-Gesetzes in Deutschland, das seit 2020 in Kraft ist und nach und nach das Gesundheitswesen hierzulande digitalisieren soll. Allerdings seien bislang nur wenige konkrete Projekte flächendeckend umgesetzt worden.  

eHealth: mehr Digitalisierungstempo gefordert 
Rund Zwei Drittel (67 Prozent) der Befragten der oben erwähnten Bitkom-Studie fordern daher mehr Tempo bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Das sind deutlich mehr als 2020, wo der Anteil noch bei 57 Prozent lag. Die zunehmenden Popularität digitaler Projekte liegt laut Meinung der Befragten insbesondere an der starken gesellschaftlichen Annahme von digitalen Alternativen, beschleunigt auch durch den pandemisch getriebenen Digitalisierungsschub. 
 
Bitkom und der Ärzteverband Hartmannbund haben dazu mehr als 500 Medizinerinnen und Mediziner in Deutschland um ihre Stellungnahme gebeten. Rund zwei Drittel (64 Prozent) sind der Ansicht, dass digitale Technologien die medizinische Versorgung der deutschen Bevölkerung grundsätzlich verbessern.  Die Hälfte der Befragten denkt, dass die Digitalisierung auch helfen kann, die Gesundheitskosten in den Praxen und Kliniken zu senken. 

Eine erste Trendwende in Sachen Digitalisierung hat eindeutig die Coronapandemie gebracht. So stieg etwa die Nutzung von Videosprechstunden sprunghaft an. 2019 gab es laut Zahlen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung nur rund 3.000 Videosprechstunden, im ersten Halbjahr des ersten Pandemie-Jahres 2020 waren es dann bereits 1,4 Millionen. Der praktische Nutzen und die Akzeptanz digitaler Angebote sind also vorhanden.  

eHealth: Goodbye Fax – welcome WLAN 
In den Krankenhäusern hat sich ebenfalls viel getan, aber dort scheint ein noch größerer Nachholbedarf hinsichtlich der Digitalisierung zu bestehen. Videosprechstunden und videogestützte OPs oder Untersuchungen etwa hat bis dato nur jedes sechste Krankenhaus im Einsatz.  

Eklatante Defizite bestehen nach Meinung der Fachkräfte besonders bei Virtual Reality (VR), eingesetzt für Trainings oder OPs: Auf der Habenseite stehen 8 Prozent, auf der Wunschseite 65 Prozent. Erstaunlich ist dagegen der mit 19 Prozent relativ hohe Anteil von Roboter-Unterstützung bei operativen und anderen Eingriffen. Nur 25 Prozent der Befragten halten das allerdings für eine sinnvolle Anschaffung.       

„Spitzentechnologie wie Robotik, Virtual Reality und künstliche Intelligenz werden künftig mehr Menschen denn je helfen, gesund zu werden und zu bleiben. Sie helfen Ärztinnen und Ärzten zielgenau zu diagnostizieren und individuell zu therapieren“, kommentiert Bitkom-Direktor Bernhard Rohleder die Entwicklung. 

eHealth in Deutschland: Gründe für den Rückstand

Neun von zehn der Ärzt*innen führen die Rückstände bei der Digitalisierung auf die Komplexität des deutschen Gesundheitssystems selbst zurück. Vier von fünf machen die oft langfristigen Zertifizierungs- und Genehmigungsverfahren mit dafür verantwortlich. Drei von vier sehen den bisherigen Rückschritt der zu hohen Regulierung des Gesundheitssektors geschuldet. Auch die Digitalkompetenz stellt ein Problem dar: Dreiviertel der befragten Ärzt*innen halten die digitalen Fähigkeiten ihrer Patient*innen für „mangelhaft“.  

Durch die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) Anfang Oktober 2021 hat die Digitalisierung zwar einen Schub bekommen und das immer noch populäre Fax-Gerät wird weiter zurückgedrängt. Seitdem können Arztpraxen, die an die Telematikinfrastruktur angebunden sind, Krankschreibungen digital an die jeweiligen Krankenkassen übermitteln. Seit Januar 2022 sind sie dazu gesetzlich verpflichtet. Ab 01. Januar 2023 übermitteln Arztpraxen und/oder Krankenkassen dann die eAU auch automatisch an die Arbeitgeber weiter. Der Aufwand für die Patient*innen reduziert sich damit erheblich.  

Nach wie vor gibt es aber große Sorgen vor Cyberangriffen. Drei Viertel der Ärztinnen und Ärzte sehen Kliniken dahingehend nicht gut genug geschützt. Unter den niedergelassenen und in Versorgungszentren beschäftigten Ärzt*innen ist die Sorge um die Cybersicherheit mit 83 Prozent besonders groß. Fast ebenso viele sagen, dass die Praxen nicht ausreichend geschützt seien.

eHealth: Viele haben übertriebenen Datenschutz satt 
Patientendaten unterliegen natürlich einem besonderen Schutz. Bitkom-Chef Rohleder sieht die Gesundheitsdaten der gesetzlich Versicherten im internationalen Vergleich als „hervorragend gut geschützt“. 54 Prozent der Ärzt*innen fordern jedoch eine weniger strenge Auslegung des Datenschutzes. Das sind satte 22 Prozent mehr als zwei Jahre zuvor und das spiegelt auch wider, was in der Wirtschaft zu beobachten ist: Viele haben den Datenschutz nach deutscher Gründlichkeit satt.  

Die eingangs genannten E-Rezepte sind im Zeitraum der Studie von Bitkom und Hartmannbund offenbar noch kaum angekommen. Denn regelmäßig ausgestellt wurden sie nur von 1 Prozent der Ärzteschaft. 57 Prozent tun es noch nicht, halten es aber für sinnvoll, 18 Prozent schließen es kategorisch aus. Und nur 6 Prozent der Ärzt*innen führen bereits elektronische Patientenakten, kurz ePA genannt. Dabei sei die ePA „Kernstück der Digitalisierung des Gesundheitswesens“ und ihre Einführung sollte daher beschleunigt werden, wie Rohleder betont.     
 
Fazit: eHealth in Deutschland
Das Offenlegen von Herausforderungen ist oft auch der erste Schritt für eine Verbesserung. Zwar machen steigende Zahlen und die gesellschaftliche Annahme von E-Rezepten und der eAU laut Studien Mut, allerdings sind die bürokratischen Hürden und Regularien noch deutlich zu hoch für eine flächendeckende und ausreichende Digitalisierung des Gesundheitssystems. Auch das Kernstück des digitalen Gesundheitsmanagements, die ePA, ist wie noch weit entfernt vor einem Roll-Out auf alle Gesellschaftsgruppen.