Kaum ein technisches Produkt wird ohne elektronische Konstruktion hergestellt. CAD (Computer Aided Design) ermöglicht eine Vielfalt an Bauteilen und fertigen Produkten sowie eine rasche Umstellung auf Varianten. Sie entstehen sozusagen auf dem digitalen Reißbrett am Monitor. Das rechnerunterstützte Konstruieren erleichtert den Ingenieuren die Gestaltung beispielsweise neuer Bauteile wie Stecker, Schrauben oder Gehäuse, aber auch komplexer Systeme vom Lenkrad bis hin zum kompletten Fahrzeug mit all seinen Komponenten. Die daraus entstehenden elektronischen Zeichnungen dienen als Baupläne für die Herstellung der Produkte.
Diese CAD-Dateien müssen fehlerfrei sein, denn jede noch so geringe Abweichung würde zur Folge haben, dass die ganze Serie eines Produkts nicht ausgeliefert werden kann. Daher ist diese Arbeitsweise mit großer Sorgfalt und hohem Zeitaufwand für die Experten verbunden. Damit Konstrukteure schneller und besser arbeiten können, soll die CAD-Software nach und nach mit KI-Tools (Künstliche Intelligenz) ausgestattet werden.
Zu dieser Absicht bekennen sich 84 Prozent der befragten Unternehmen, die auf die Nutzung von KI setzen, wie die Studie von Cite Research im Auftrag von Dassault Systèmes zu Trends in den Bereichen KI und digitale Transformation zeigt. Zudem planen die Anwenderunternehmen, dass der Einsatz von KI in den Bereichen maschinengestütztes Design und maschinelles Lernen weiter steigen werde.
An den vorhanden KI-Tools mangelt es nach Ansicht von Tim Peters, KI-Trainer an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde keineswegs: „Mittlerweile hat sich ein beträchtliches Ökosystem an KI-Werkzeugen und Frameworks gebildet, die eine gute Basis für die Konzipierung eigener KI-Lösungen bilden.“ Viele CAD-Anwendungen bieten bereits Werkzeuge, die KI nutzen und ohne großen Implementierungsaufwand genutzt werden können.
Datenspürhund für CAD-Systeme
Ein Beispiel dafür ist ein KI-gestütztes Assistenzsystem, das das Konstruieren in CAD beschleunigen soll. Ein derartiger Helfer wird von jedem CAD-Konstrukteur benötigt. Entwickelt wurde es am Institut für Software & Systems Engineering (ISSE) an der Universität Augsburg.
Das Tool greift eine typische Ausgangssituation in vielen Firmen auf. Im Bereich Konstruktion steht dort eine schier unüberschaubare Menge Bauteile in umfangreichen Datenbanken in einem „Baukasten“ zur Verfügung. Diese Datensammlungen sind obendrein sehr unübersichtlich. Daher ist die Suche nach der Datei eines benötigten Bauteils sehr zeitintensiv. Hier wollen die Forschenden des KI-Produktionsnetzwerks am ISSE der Universität Augsburg ein KI-gestütztes und deshalb deutlich temporeicheres CAD-Assistenzsystem entwickeln – einen KI-Datenspürhund.
Sobald ein Produkt zum ersten Mal in CAD entworfen wird, wandern diese Daten in einen Bauplan. In jedem Anwenderunternehmen entstehen über die Jahre hinweg auf diese Weise riesige Bauplansammlungen. Und immer dann, wenn ein Nachfolgemodell benötigt wird, ist der bereits vorliegende Bauplan gefragt.
Das ist vor allem für neue Mitarbeiter und unerfahrenen Konstrukteuren eine Herausforderung. Sie stehen unter dem Druck, dass sie so rasch wie möglich in die Sammlung der vorhandenen Baupläne des Unternehmens eingelernt werden und andererseits diese umfangreichen Datenbanken der Bauteile nach passenden Komponenten durchsuchen. Das ist unproduktiver Leerlauf. Rund zwei Drittel der Arbeitszeit an einer CAD-Konstruktion gehen mit dieser Suche verloren, weiß Carola Lenzen, wissenschaftliche Mitarbeiterin am ISSE. Auch die derzeit verwendeten Assistenzsysteme helfen wenig weiter, denn sie benötigen als Eingabe erstmal skizzierte 2D-Modelle und genaue Vorgaben, um ein passendes 3D-Modell finden zu können.
Mit einer gänzlich neuen Methode wartet das Augsburger Projekt auf. Hier ordnet künstliche Intelligenz jedes Bauteil in seinem Platz im Gesamtgefüge zu und erfasst seine Verbindung mit anderen Komponeten. Für die Forscher liegt der Vergleich mit einem individuellen Fingerabdruck oder einer Stimme nahe. „Wir erkannten, dass das Konstruieren in CAD Ähnlichkeiten zur menschlichen Sprache aufweist. So wie eine Wortfolge in einem Satz eine sprachliche Konstruktion darstellt, kann man eine CAD-Konstruktion eines Produkts als eine Folge von Bauteilen auffassen“, sagt der Informatik-Professor.
Das stellte die Forschenden vor eine neue Herausforderung. Bestehende künstliche neuronale Netzwerke, also die Algorithmen hinter der ‚KI‘, sind darauf ausgelegt Bilder oder Sprache zu verarbeiten. „Wir mussten einen Weg finden, Bauteile in ‚Wörter‘ zu übersetzen, um die Komplexität zu erfassen“, erklärt Carola Lenzen, wissenschaftliche Mitarbeiterin.
Was macht nun die KI im Assistenzsystem? Zunächst benötigt sie viele Beispieldaten, um zu lernen: „Das neue Assistenzsystem lernt anhand vorhandener CAD-Daten, welche Bauteile und Produkte es in einem Unternehmen gibt und wie deren ‚Fingerabdrücke‘ oder ‚Sätze‘ aussehen“, so Lenzen. Wenn anschließend Mitarbeitende einen Bauplan verändern möchte, dann müssen sie nicht schier endlose Datenbanken wälzen. Stattdessen greift die KI auf alle Daten und damit auf das Wissen aller Konstrukteure des Unternehmens zu und weiß, welche Bauteile wo in welcher Abhängigkeit verwendet werden und macht so genaue Vorschläge, statt zum Beispiel nur Bauteile ähnlicher Form zu präsentieren.
Das Ergebnis: „Unser KI-gestütztes System liefert automatisiert Bauteilvorschläge und benötigt dabei keinerlei weitere Informationen“, erklärt er den Unterschied zu den bestehenden Systemen. Die Forschenden hoffen, dass das Konstruieren damit in Zukunft schneller geht und denken bereits darüber nach, wie sie ihr System weiter verbessern und ausbauen können. Beispielsweise könnte die KI im Konstruktionsprozess auf unpassende oder ungewöhnliche Bauteile hinweisen.
Auf einen weiteren Aspekt der Integration von KI in die digitale Konstruktion weist Pascal Ricardo Klammer vom CAD-Entwickler Mensch und Maschine Deutschland GmbH im oberbayerischen Wessling hin. „KI sollte nicht als Ersatz für Ingenieure betrachtet werden, sondern als Unterstützung.“ So könne die KI beispielsweise Routineaufgaben automatisieren, Entwurfsvarianten vorschlagen, Simulationen durchführen und bestehende Designs verbessern. Dann kann sich der Konstrukteur auf komplexe und innovative Aufgaben zu konzentrieren. „KI hat das Potenzial, den Konstruktionsprozess grundlegend zu verändern“, ist Klammer überzeugt.
Empfehlungen: KI-Tools in CAD integrieren
Datenverfügbarkeit und -qualität: Um KI-Algorithmen zu trainieren und zu validieren, sind große Mengen an qualitativ hochwertigen Daten notwendig wie etwa CAD-Modelle, Fertigungsdaten oder Sensordaten. Die Daten sollen vollständig und repräsentativ für die Anwendung sind.
Infrastruktur und Ressourcen: Die Implementierung von KI erfordert eine leistungsfähige Infrastruktur wie Hochleistungsrechner, Grafikprozessoren (GPUs) und Cloud-Computing-Ressourcen. Sie bieten ausreichend Rechenleistung und Speicherplatz bietet, um komplexe Modelle zu trainieren und auszuführen.
Expertise im Bereich KI und CAD: Unternehmen müssen über Fachkenntnisse im Bereich KI und CAD verfügen, um die richtigen Algorithmen auszuwählen, Modelle zu entwickeln und zu trainieren sowie die Ergebnisse zu interpretieren. Dies kann die Einstellung von Experten, Schulungen für bestehende Mitarbeiter oder die Zusammenarbeit mit externen Beratern umfassen.
Integration in bestehende Systeme: KI muss nahtlos in bestehende CAD-Systeme integriert werden, um einen reibungslosen Arbeitsablauf zu gewährleisten. Dies erfordert die Entwicklung geeigneter Schnittstellen und Datenformate.
Datenschutz und Sicherheit: Da KI-Systeme auf sensiblen Daten basieren können, sind Datenschutz- und Sicherheitsrichtlinien einzuhalten. Zu beachten ist der Schutz personenbezogener Daten, die Absicherung von Systemen gegen Cyberbedrohungen und die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften wie der DSGVO.
Management-Unterstützung: Die erfolgreiche Implementierung von KI in die digitale Konstruktion erfordert die Unterstützung des Managements und eine klare strategische Ausrichtung. Unternehmen müssen bereit sein, in die Entwicklung und Implementierung von KI zu investieren und die langfristigen Vorteile zu erkennen.
(Quelle: Mittelstand Digital)