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SCM & Logistik

Digitaler Produktpass macht Lebenszyklen transparent

Der Digitale Produktpass bringt für Güter aller Art Transparenz von der Produktion bis zur Entsorgung. Er gilt ab 2027 EU-weit, zuerst für Batterien und Akkus.

15. November 2023

4 Min. Lesezeit

Bild vom einer Rinderroulade, Bild von Johannes Hucke

Die Kreislaufwirtschaft ist ein Goldesel: So enthalten zum Beispiel Elektronikprodukte zahlreiche wertvolle Metalle, neben Gold auch Platin und Palladium. Pro Gerät sind es nur winzige Mengen, doch in der Masse kommen erhebliche Werte zusammen. Es ist sowohl kaufmännisch als auch ökologisch sinnvoll, diese Materialien zu recyceln.

Das Problem dabei: Man sieht es den Produkten nicht immer an, welche Materialien und Komponenten verbaut sind. So wird in der Elektronikbranche wegen der gestiegenen Preise von Palladium manchmal das ebenso leitfähige, aber derzeit billigere Silber eingesetzt. Für einen Recycling-Dienstleister ist es also wichtig, die im Gerät genutzten Rohstoffe genau zu kennen. Denn anderenfalls müsste jedes einzelne Gerät geprüft werden.

Das ist der Digitale Produktpass (DPP)

Der Digitale Produktpass oder kurz DPP bietet genau diesen Service. Ermöglicht wird das durch einen umfangreichen Datensatz, der alle grundlegenden Informationen über ein bestimmtes Produkt enthält. Dabei geht es in erster Linie um zwei Aspekte:

  • Informationen über den Aufbau des Produkts, also sämtliche Materialien und Komponenten sowie ein Verzeichnis ihrer Hersteller und Lieferanten.
  • Angaben zu den CO2-Emissionen und anderen Umweltauswirkungen, zur Reparierbarkeit, zu den notwendigen Ersatzteilen und der fachgerechten Entsorgung.

Der Pass schafft Transparenz über den gesamten Lebenszyklus eines Produktes von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung. Sein Ziel ist die Information aller Stakeholder, um die Kreislaufwirtschaft zu erleichtern. Viele der Daten dürften Unternehmen bekannt vorkommen: Es sind die gleichen wie im ESG-Nachhaltigkeitsbericht. Dadurch dürfte es vielen Unternehmen einfacher fallen, den Produktpass zusammenzustellen.

Ab 2027 ist der Pass europaweit Pflicht, zunächst allerdings nur für Batterien. Dazu gehört auch die Pflicht der Smartphone-Hersteller, herausnehmbare Akkus einzubauen. Anschließend geht es Schritt für Schritt weiter. So hat die EU-Kommission vor kurzem beschlossen, dass die nächste Produktgattung Kinderspielzeug sein wird. Das betrifft die EU-Hersteller, aber auch Importeure von Billigspielzeug aus Drittstaaten.

Die technische Umsetzung des DPP

Im Moment ist die technische Umsetzung des DPP noch nicht 100-prozentig klar. Aber einige grundlegende Merkmale lassen sich schon erkennen: Für Verbraucher, Behörden, Reparaturbetriebe, Verwerter und Entsorger ist der Produktpass zunächst einmal ein QR-Code, der auf dem Produkt oder der Verpackung klebt. Er wird mit dem Smartphone gescannt und führt zu einer dezentralen Speicherstelle, beispielsweise der Website des Herstellers.

Der eigentliche Datensatz soll textbasiert und maschinenlesbar sein, etwa im ECLASS-Format. Das ist ein Standard für die Klassifizierung und eindeutige Beschreibung von Produkten und Services. Er wird weltweit eingesetzt und ist branchenübergreifend, bietet also eine Reihe von Vorteilen. Doch die EU hat bisher noch nichts entschieden. So wäre beispielsweise auch das JSON-Format denkbar. Es ist flexibel genug, um heterogene Daten wie beispielsweise GPS-Koordinaten oder codierte Binärdaten zu verarbeiten.

Um den jeweiligen Produktpass eindeutig ein Hersteller zuordnen zu können, muss dieser ihn kryptografisch signieren. Zudem ist neben der Speicherung beim Hersteller eine zentrale Kopie bei einer EU-Behörde geplant. Dadurch entsteht eine öffentliche Datenbank nach dem Modell der Energie-Label-Datenbank. Das DPP-Verzeichnis kann dann von jedem durchsucht werden kann, selbst wenn man das Produkt gar nicht besitzt. Verbraucher können darin beispielsweise nach besonders leicht reparierbaren oder recycelingfähigen Produkten Ausschau halten.

Weitere Details sind ebenfalls noch nicht geklärt. So ist es denkbar, dass der Pass für einige Warengruppen produktindividuell ausfällt. Das bedeutet, dass jedes einzelne Produkt eine eindeutige Kennzeichnung und einen spezifischen Datensatz erhält. Das ist eine Art digitaler Zwilling, der je nach technischer Ausstattung des Produkts auch zum Sammeln von Nutzungsdaten geeignet ist. Für Maschinen und Geräte in der Industrie ist das sicher sinnvoll, bei Konsumentenprodukten dürfte es aber Datenschutzprobleme aufwerfen.

Fazit: Kreislaufwirtschaft in Sicht

Der digitale Produktpass ist ein wichtiges Instrument zur Förderung der Kreislaufwirtschaft. Er bietet umfassende Informationen über Produkte und erleichtert damit die Weiterverwendung, Reparatur und das Recycling von Produkten. Dabei ist Transparenz ein wichtiges Stichwort. Verbraucher fragen nachhaltige Produkte immer stärker nach, der DPP kann eine verlässliche Quelle für Informationen über die Umweltverträglichkeit von Produkten sein.

Obwohl noch nicht alle technischen Details geklärt sind, sollten Unternehmen sich bereits jetzt auf den Produktpass vorbereiten. Da die DPP-Daten eng mit den Infos für das ESG-Reporting verwandt sind, ist es sinnvoll, wenn Unternehmen bereits jetzt ihre ESG-Kennziffern mit spezifischen Produktinfos ergänzen.