Generative KI hat das Potenzial, Unternehmen und Organisationen fundamental zu verändern. Laut der Lünendonk-Studie „Der Markt für IT-Dienstleistungen in Deutschland“ aus dem Frühjahr 2024 schreibt jedes zweite Unternehmen (47 %) der Technologie eine hohe Relevanz zu. Für eine Technologie, die sich erst seit kurzem auf dem Markt etabliert hat, ein hoher Wert. Bis 2027 sehen sogar 60 Prozent GenAI als relevant für das eigene Unternehmen an.
Wenngleich Unternehmen das Potenzial von generativer KI erkannt haben und sie die Technologie adaptieren möchten, stehen die meisten noch am Anfang. Laut der Lünendonk-Studie „Generative AI – Von der Innovation bis zur Marktreife“, wo mittelständische und große Unternehmen befragt wurden, geben drei Prozent an, GenAI-Tools bereits im Produktivbetrieb einzusetzen. 34 Prozent stecken noch in der Erprobungsphase und experimentieren mit erste Proofs of Concept (PoCs), um Erfahrung zu sammeln. Das Gros der Unternehmen (50 %) steht jedoch noch am Anfang und identifiziert gerade Use Cases, wo und wie der Einsatz von generative KI möglich und sinnvoll sein könnte. 13 Prozent der Unternehmen distanzieren sich derzeit von GenAI, etwa um regulatorische oder datenschutzrechtliche Anforderungen zu umgehen oder weil sie die Technologie für noch nicht ausgereift erachten.
Welche Mehrwerte versprechen sich Unternehmen durch den Einsatz von generativer KI? Die Bandbreite der Vorteile ist grundsätzlich groß und themen- sowie branchenabhängig. Vor allem durch effektivere Personalisierungsmaßnahmen sowie Möglichkeiten im Marketing und Vertrieb – etwa bei der Content-Erstellung – versprechen sich sieben von zehn Unternehmen (71 %) eine nachhaltige Steigerung der Kundenzentrierung durch GenAI.
Ebenso zählt die Standardisierung und Beschleunigung von Routineaufgaben zu den wichtigsten Vorteilen. 67 Prozent der Studienteilnehmenden sehen daher große Automatisierungspotenziale und damit verbunden Kosteneinsparungen. Auch die Mitarbeiterproduktivität und Ressourceneffizienz (63 %) sollen gesteigert werden. In diesem Kontext bleibt jedoch abzuwarten, ob respektive wann GenAI auch Einzug in die ERP-Kernprozesse halten wird, wodurch sich nochmals viele neue Möglichkeiten ergeben.
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Etwa jedes vierte Unternehmen (27 %) sieht in GenAI ein Instrument zur besseren Bewältigung des demografischen Wandels, indem die Arbeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erleichtert wird und dadurch Ressourcen frei werden.
Herausforderungen: Regulatorik, Haftungsrisiken, Knowhow und Data Governance
Obwohl Unternehmen große Potenziale in GenAI sehen, gibt es auch eine Kehrseite der Medaille. Als die beiden wichtigsten Faktoren, welcher die Ausbreitung von GenAI im Unternehmen behindern, werden rechtliche Bedenken sowie Haftungsrisiken geäußert. Es muss nachvollziehbar sein, wie das System zu einem Ergebnis kommt und ob man diesem vertrauen kann. Im Kontakt mit Dritten stellt sich bei ungenauen oder falschen Ergebnissen die Frage, wer für einen möglichen Schadensersatz belangt werden kann – der KI-Anbieter, der das System bereitstellt oder der End User, der die KI möglicherweise falsch bedient hat.
Auch existiert mit dem EU AI Act seit dem 1. August das weltweit erste Regelwerk zur Nutzung generativer KI, sodass Unternehmen nun prüfen, ob ihre KI-Systeme unter die Regulierung fallen und welche Auswirkungen dies auf ihre KI hat.
Mangelnde Kenntnisse über die Entwicklung von KI-Lösungen sowie fehlende Kompetenzen sind bei 56 Prozent der Unternehmen für den geringen Nutzungsgrad verantwortlich. Des Weiteren wird von jedem zweiten Unternehmen (54 %) eine unzureichende Data Governance als ausschlaggebender Faktor genannt, sodass unklar ist, wann welche Daten in welchem Umfang wie genutzt werden dürfen. Aufgrund fehlender Regelungen werden GenAI-Use Cases oft nicht umgesetzt.
Für 43 Prozent der Befragten spielen interne Compliance-Vorgaben zur Informationssicherheit und zum Schutz geistigen Eigentums eine zentrale Rolle und hemmen die Ausbreitung von GenAI. Mangelnde Zeit und Ressourcen sind dahingegen „nur“ für 42 Prozent ein Hindernis.
EU AI Act – Challenge oder Chance?
Mit dem EU AI Act, der am 1. August 2024 in Kraft getreten ist, steht Unternehmen nun ein Regelwerk zum richtigen Einsatz von generativer KI bereit. Laut der erwähnten Lünendonk-Studie, die im Sommer 2024 und somit kurz vor Inkrafttreten durchgeführt wurde, haben drei Prozent der Unternehmen die Umsetzung der Vorgaben bereits vollzogen und neun Prozent sind gerade damit beschäftigt. Jedes vierte Unternehmen (24 %) plant dies aktuell. Demgegenüber stehen jedoch 64 Prozent, die derzeit keine Umsetzungsmaßnahmen geplant haben oder die den EU AI Act gar nicht kennen. Mit der nun stattgefundenen Veröffentlichung ist aber zu erwarten, dass sich dieser Anteil in den kommenden Monaten verringert.
Ein zentrales Vorhaben der EU-weiten Regulatorik ist die Einteilung von KI-Systemen in unterschiedliche Risikogruppen – von niedrig, begrenzt bis hoch und inakzeptabel. Die Idee dahinter: Je höher das Risiko eines KI-Systems, desto höher sind die damit verbundenen Anforderungen und Pflichten, was letztlich das Vertrauen in die Technologie stärken und Innovationen fördern soll.
Bei Verstößen drohen Strafen von bis zu 35 Millionen Euro oder bis zu sieben Prozent des weltweiten Unternehmensumsatzes. Die Regelungen zur verbotenen KI gelten nach sechs Monaten – somit ab dem 1.1.2025 –, für die weiteren Risikoklassen erst nach einem Jahr respektive 36 Monaten. Unternehmen sind daher gut beraten, die Zeit bis dahin für die Prüfung ihrer KI-Vorhaben zu nutzen, wodurch Entwicklerinnen und Entwickler auch Sicherheit für ihre Programmierarbeit erhalten.
Wie bei jeder neuen Regulatorik wird diese zunächst als Herausforderung erachtet, da sie mit Aufwänden verbunden ist. Dieses Bild bestätigen 70 Prozent der befragten Unternehmen. Langfristig ergibt sich daraus aber auch Sicherheit, da einem Missbrauch der Technologie vorgebeugt wird. Jedes vierte Unternehmen sieht daher im EU AI Act sowohl eine Chance als auch eine Herausforderung. Ein sehr geringer Anteil von 4 Prozent sieht in der Verordnung vor allem Chancen.