Da knallen die Sektkorken, das Hamburger Startup novem – jetzt valantic Business Analytics – feiert sein 20-jähriges Firmenjubiläum. „Wir sind wirtschaftlich durch alle Höhen und Tiefen gegangen, aber es hat sich gelohnt. Heute stehen wir glänzend da“, freuen sich die beiden Firmengründer Peer Schwieren und Anastasios Christodoulou und sprechen über das Geheimnis ihres Erfolges.
valantic Business Analytics hat eine ganz besondere Mission. Das Unternehmen unterstützt Firmen in Deutschland und ganz Europa dabei, Unmengen von Daten mithilfe von Algorithmen auszuwerten, um wirtschaftlich erfolgreicher zu sein. Mit dieser Geschäftsidee waren die beiden Firmengründer vor 20 Jahren ihrer Zeit weit voraus.
Peer, Anastasios, einen herzlichen Glückwunsch zum Firmenjubiläum. Was kommt euch spontan in den Sinn, wenn ihr an die letzten 20 Jahre zurückdenkt?
Anastasios: Mir kommt spontan das Jahr 2006 in den Sinn, denn in diesem Jahr wurden in unserer noch jungen Firma acht Babys geboren, bei insgesamt 25 Mitarbeitenden. Für mich war das damals ein Indiz dafür, dass sich alle in der Firma sehr wohl gefühlt haben. Es ging uns von Anfang an nicht nur darum, die Firma zu gestalten, auch Familiengestaltung war uns sehr wichtig, die Worklife Balance hat offenbar gestimmt.
Nach der Firmengründung 2002 hat uns die Anfangseuphorie sehr weit getragen. Unsere ersten Kunden haben wir zum großen Teil heute noch, darunter Johnson & Johnson, der Hamburger Spirituosenhändler Borco und die Allgemeinen Ortskrankenkassen, mit denen wir gemeinsam viele innovative Lösungen entwickelt haben. Die AOK Niedersachsen und die AOK Nordost, waren von Anfang an mit dabei. Für das US-Unternehmen Wyeth Pharma, das eine deutsche Niederlassung in Münster unterhielt, haben wir Analytics-Lösungen gebaut. Wyeth Pharma ist später mit dem US-Pharma-Giganten Pfizer zusammengegangen.
novem/Business Analytics: Gründung und erste Kunden
Peer: Wir sind damals wie Phönix aus der Asche entstanden. Für jeden einzelnen Mitarbeitenden wäre es kein Problem gewesen, auch woanders einen guten Job zu finden. Aber Anastasios und ich haben an unsere Idee geglaubt und gedacht, jetzt lass es uns einfach versuchen. Wir hatten kein Eigenkapital, aber Leute, die aneinander, an unsere Geschäftsidee und an uns geglaubt haben. Dann sind wir kurzentschlossen zum Hamburger Ordnungsamt gegangen und haben ein Gewerbe angemeldet und eine GmbH gegründet. Heute stehen wir glänzend da, aber es gab natürlich auch schwierige Zeiten. Wirtschaftlich sind wir über alle Weltmeere gefahren, mit vielen Wellenbergen und Wellentälern.
Was war am Anfang nach der Firmengründung besonders wichtig?
Anastasios: Allen war von Anfang ganz klar, das muss funktionieren, denn es hängen neun Familien dran. Vom ersten Monat an haben wir pünktlich die vereinbarten Gehälter gezahlt, worauf ich auch heute noch besonders stolz bin. Getragen hat uns dabei das sehr große Vertrauen unserer Kunden. Die ersten Kunden kannten wir persönlich.
Peer: Ein wichtiger Erfolgsfaktor war außerdem die Softwarepartnerschaft mit der Firma Cognos, die heute zu IBM gehört. Cognos hat uns das Vertrauen geschenkt und daran geglaubt, dass unsere Firma die Business Analytics Cognos-Software hochprofessionell und gut einsetzt.
„Es war die richtige Entscheidung, 2014 mit valantic zusammenzugehen. Unser Umsatz hat sich nahezu verdreifacht.“
Anastasios Christodoulou, Gründer und Managing Director bei valantic
Anastasios: Nach und nach kamen weitere Firmenpartnerschaften hinzu. Mit dem Beitritt zur valantic Gruppe im Jahr 2014 zum Beispiel die Partnerschaft mit dem deutschen Weltkonzern SAP. Das Thema Digitalisierung hatte viel Fahrt aufgenommen und uns war klar, dass wir den Zugang zu einer großen, erfolgreichen Firmengruppe brauchen, um unseren Kunden ein digitales Gesamtpaket für Lieferanten, Kunden, für Bedarfsprognosen und die Planung anbieten zu können. Es war die richtige Entscheidung, denn seit 2014 hat sich unser Umsatz nahezu verdreifacht.
Business Analytics: Beitritt zu valantic 2014
Die Eingliederung in eine große Firmengruppe ist keine leichte Aufgabe. Wie habt ihr das erfolgreich geschafft?
Anastasios: Es ist so wie beim Umzug, man schmeißt alte Dinge weg, muss sich modernisieren und gewohnte Abläufe neu durchdenken. Wir mussten umdenken, aber eine große Firmengruppe wie valantic stellt viele Dienstleistungen bereit, die es bei uns so nicht gab. Dazu zählen zum Beispiel ein zentrales Recruiting, eine zentrale Marketing-Abteilung, eine zentrale Finanzabteilung, alles Vorteile, die uns sehr geholfen und extrem nach vorne gebracht haben. Nicht zu vergessen die sogenannten Cross-Selling-Potenziale: Es kommt oft vor, dass wir Kolleginnen und Kollegen aus anderen Geschäftseinheiten zu uns in die Projekte holen und umgekehrt.
„Ich empfehle neuen Firmenpartnern, von Anfang an konsequent den Brand von valantic zu nutzen.“
Dr. Peer Schwieren, Gründer, Partner und Geschäftsführer bei valantic
Peer: Ich empfehle neuen Firmenpartnern, von Anfang an konsequent den Brand unserer starken Firmengruppe zu nutzen. Wer in die Gruppe hineinpasst, wird dadurch gezogen und es entsteht viel Unterstützung. Radfahrer sprechen vom Staubsauger-Effekt, so ähnlich ist es auch bei uns gewesen.
Welche Highlights, man spricht gerne von Leuchtturmprojekten, haben euch im Rückblick besonders begeistert?
Anastasios: Eines unserer Highlights war und ist ja der Business-Mix: Unsere Firma bietet nicht nur Beratung, sondern auch Training und Mitarbeiter-Schulungen an. Ich erinnere mich an einen Anruf von einem Telefondienstleister, der einen Tag Schulung bestellen wollte. Wir haben im Gespräch viele innovative Maßnahmen besprochen und am Ende wurden aus einem Tag Schulung fünftausend Tage Consulting.
Business Analytics: Business-Mix als Erfolgsrezept
Peer: Einer unserer größten Kunden, das Ministerium der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, hat vor zehn Jahren einen Partner gesucht. Es ging um die Digitalisierung der Finanz- und Haushaltsplanung. Fast wie ein Virus hat sich die eingesetzte Technologie verbreitet, aus der zum Beispiel auch der Finanz-Monitor entstanden ist, der für alle Bürgerinnen und Bürger die aktuellen Haushaltszahlen und Geldflüsse maximal transparent offenlegt. Heute ist die Gemeinschaft einer unserer Musterkunden. Begeisterte Anwender sind für mich das schönste Feedback und ich habe mir gedacht: Da haben wir wirklich etwas Gutes auf die Beine gestellt.
Welche Rolle spielt die Firmenkultur für den Geschäftserfolg?
Anastasios: Unser Unternehmen hat von Anfang auch Ausbildungsplätze angeboten. Unser Auszubildender #1, daran erinnere ich mich besonders gern, hat bei uns berufsbegleitend ein Fernstudium absolviert. Er hat dann in Marburg promoviert, kam zu uns zurück und ist dann als Professor an die Nordakademie berufen worden. Vom Auszubildenden zum Professor, das ist schon der Hammer. Auszubildende und Werkstudenten werden bei uns intensiv betreut.
in weiterer Schwerpunkt unserer Tätigkeit sind Forschungsprojekte. Ein aktuelles Forschungsprojekt, das wir mit einer Schweizer Hochschule durchführen, befasst sich mit dem Thema „Resilienz in mittelständischen Unternehmen“. Wie lassen sich Resilienzfaktoren analysieren, welche sind das und wie können mittelständische Unternehmen auf Krisen, wie wir sie in den letzten Jahren erlebt haben, besser reagieren? Die Schweiz unterstützt das praxisnahe Projekt mit einer Gesamtsumme von 500.000 Franken.
Euer Geschäft lässt sich stichwortartig beschreiben mit Daten, Analysen, Forecasts und Simulationen, Jetzt kommt die Künstliche Intelligenz dazu. Wie hat sich das Geschäft verändert und was wird noch kommen?
Anastasios: Früher ging es darum, für einzelne Abteilungen Reporting- und Analysesysteme aufzubauen, Daten zu sammeln und zu analysieren. Heute steht die Digitalisierung und Optimierung der gesamten Wertschöpfungskette im Vordergrund, inklusive Lieferantenketten, Geschäftsprozessen, Kundenkanälen und der Kommunikation. Durch die engmaschige Vernetzung innerhalb und außerhalb der Unternehmen steigt die Bedeutung von Datenanalysen. Wir mit unseren Business-Analytics-Lösungen stehen sozusagen im Auge des Sturms. Die Daten müssen durch die Analyse gezogen werden, sonst können Unternehmen damit gar nichts anfangen und lassen sich viele Vorteile entgehen
Business Analytics: Excel reicht nicht
Peer: Es geht heute nicht mehr um das „Ob“, sondern um das „Wie“ der Business Analytics. Die richtige Architektur und richtige Adapter, damit die Daten miteinander sprechen und Mitarbeitende gut damit arbeiten können, sind heute entscheidend. Um ein Beispiel zu nennen: Eine Budgetplanung über einen Zeitraum von fünf Jahren geschieht zum Beispiel per Regressionsanalyse. Aber auch neuere Techniken wie Machine Learning und Künstliche Intelligenz kommen immer häufiger zum Einsatz, um zu möglichst treffsicheren Prognosen zu kommen. Diese neuen Technologien sind mittlerweile im Markt angekommen.
Wo stehen die deutschen Unternehmen heute und was müssen sie tun, um auch in Zukunft konkurrenzfähig zu bleiben? Viele nutzen noch Excel.
Anastasios: Früher haben die Mönche ihre Bücher per Hand abgeschrieben und vervielfältigt, bevor der Buchdruck kam. Excel ist für mich so etwas wie mit der Hand zu schreiben. Excel einzusetzen ist nichts Negatives, wenn es auf dem Niveau der persönlichen Nutzung geschieht. In dem Moment aber, in dem es um größere, unternehmensweite Organisationsstrukturen und um unternehmensweite Prozesse wie Freigaben, Berechnungen, KPIs, einheitliche Sichtweisen, Compliance und Governance geht, ist Excel völlig überfordert und hat dort wenig zu suchen.
Peer: Man könnte salopp sagen, dass so lange Unternehmen versuchen, mit Excel integrierte Unternehmenslösungen aufzubauen, uns die Arbeit nicht ausgeht.
Business Analytics: starke Use Cases
Welches Potenzial haben die neuen Hype-Technologien Conversational Artificial Intelligence und Chatbots?
Peer: Einen guten Chatbot erkennt man daran, dass eine echte Konversation stattfindet. Für einen großen Konzern, dessen Rechtsabteilung intern tausende von Anfragen zu den Themen Legal und Compliance erhält, haben wir einen Legal Bot eingerichtet. Ein südamerikanischer Händler des Konzerns möchte zum Beispiel wissen, wie er korrekt und rechtssicher einen Freiberufler beauftragen kann.
Der Konzern könnte gar nicht genügend Leute einstellen, um alle Anfragen in angemessener Zeit zu beantworten. Bei dieser Aufgabe unterstützt jetzt der Legal Bot, der zielgenau und ohne Wartezeit weiterhilft. Davor waren die Bearbeitungs- und Wartezeiten oft unangemessen lang.
Der südamerikanischen Händler erhält nun mithilfe des Legal Bot in kurzer Zeit ein rechtssicheres Dokument, das ihm weiterhilft. Die Legal-Abteilung wiederum kann sich um anspruchsvollere Rechtsfragen kümmern und muss sich nicht länger mit der Sachbearbeitung von Massenanfragen herumschlagen.
Anastasios: Ein weiterer Anwendungsbereich, wo wir großes Potenzial sehen, ist der Gesundheitssektor. Praktizierende Ärzte haben aus Zeitmangel nur einen begrenzten Einblick in Studien und aktuelle Untersuchungsergebnisse. Ein Medizin-Bot aber hat Zugriff auf Millionen und Milliarden Dokumente, die er rasend schnell durchsuchen und auswerten kann. Er ist ein wertvoller Assistent des Arztes, der lange recherchieren müsste, um an die für ihn und seinen Patienten oft lebenswichtigen Informationen zu kommen.
Peer: Auch Rückrufaktionen zum Beispiel im Versicherungswesen, wo Bots die Fahrgestellnummer von Kraftfahrzeugen und weitere für die Bearbeitung wichtige Informationen telefonisch abfragen, bringen eine deutliche Zeitersparnis. Es sind auch die einfachen, jedoch zeitaufwendigen Konversationen, für die sich Chatbots sehr gut eignen.
Business Analytics: Hyperautomatisierung
Treffen in Zukunft dann Maschinen alle wichtigen Entscheidungen und der Mensch hat gar nichts mehr zu sagen?
Anastasios: Es läuft ein wenig wie bei der Navigation. Das Navi empfiehlt eine bestimmte Route, aber nach wie vor entscheidet der Mensch, ob er die vorgeschlagene Strecke auch einschlägt.
Peer: Mit Blick auf einzelne Geschäftsbereiche bin ich anderer Meinung. Der Automatisierungsgrad hängt auch von den Entscheidungen ab, die getroffen werden müssen. Wenn eine Versicherung entscheiden muss, ob sie einen Schadensfall anerkennt oder nicht, dann können das in der Regel bereits heute Maschinen und Algorithmen übernehmen. Gerade in der Versicherungsbranche sind wir ganz nahe dran an Maschinen, die automatisiert Entscheidungen fällen, wo Menschen nur noch in Ausnahmefällen diese übersteuern.
Anastasios: Um auf unseren Legal Bot zurückzukommen: Im Bereich der Justiz und der Gerichtsbarkeit, wo in Zukunft womöglich juristisch kundige Richter-Bots das Urteil über den Angeklagten fällen, wäre mir das schon ziemlich unheimlich.
Peer, Anastasios, vielen Dank für das spannende Gespräch.