Die Auftragsbücher der Industriebetriebe seien so voll wie noch nie, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) unter Berufung auf das Statistische Bundesamt Mitte August: Im Vergleich zum Vorjahresmonat gab es einen Zuwachs um satte 14,1 Prozent und damit für den Auftragsbestand deutscher Industriebetriebe einen neuen Höchststand seit Beginn der Erfassung im Jahr 2015. Die durchschnittliche Reichweite des Auftragsbestands liegt aktuell bei acht Monaten, bei Herstellern von Investitionsgütern wie Maschinen und Fahrzeugen sogar bei 11,8 Monaten.
So weit, so gut. Aber es gibt Probleme in der Abarbeitung. Als Grund nennt das Institut für Wirtschaftsforschung (ifo) gestörte Lieferketten und die daraus resultierende Knappheit an Rohstoffen und Vorprodukten, vor allem aus China. Ein Ende des Auftragsstaus ist zumindest für 2022 nicht in Sicht.
Worauf kommt es jetzt also an? Eine intelligente Reihenfolgeplanung, die Absicherung von Lieferketten und eine smarte Taktung von Beschaffung und Produktion können die aktuellen Herausforderungen in der Abarbeitung von Aufträgen zumindest entschärfen. Dafür sind aktuelle und verlässliche Daten die ultimative Voraussetzung. Der IT fällt bei der Reihenfolgeplanung eine tragende Rolle zu.
Verfügbarkeit der Daten
Unternehmen sollten einen sehr kurzen Draht zu ihren Lieferanten pflegen. Manch eine Einkaufsabteilung ist nach von Beschaffungsproblemen geprägten Monaten nach wie vor hochmotiviert bei der Sache und kommuniziert Tag für Tag mit ihren Lieferanten. Neben Outlook und dem klassischen Telefon machen Plattformen für Supplier Collaboration das Leben leichter: So manches Unternehmen, das bereits vor der Krise zum Beispiel in Ariba oder Ivalua investiert hat, weiß spätestens heute die Vorzüge solcher Tools wirklich zu schätzen und erntet die Früchte aus dem oft mühseligen Lieferanten-Onboarding.
Denn nicht nur die Zahl der beschaffungsseitigen Brandherde mit latentem Kommunikationsbedarf hat im verarbeitenden Gewerbe zugenommen, sondern in der Regel auch die Zahl der Bezugsquellen, die das Beschaffungsrisiko auf mehreren Schultern zu verteilen und Abhängigkeiten vermeiden. Zumindest einen aussichtsreichen „Plan B“ dürfte jedes Supply Chain Management für seine Bezugsquellen inzwischen evaluiert und vorbereitet haben.
Einkauf und Beschaffung sehen sich also mit einem Mehr an kritischen Fällen und Bezugsquellen als noch vor der Krise konfrontiert. Supply-Chain-Systeme sind mehr denn je gefordert, verschiedene externe wie interne Informationen passgenau in Dashboards, und Frühwarnsystemen zu bündeln. Dabei sind zusätzliche, externe Datenquellen und die damit entstehende, steigende Datenmenge in den meisten Unternehmen nicht einmal das Kernproblem. Vielmehr hapert es an der Transparenz der internen Datenhaltung.
Eine einfache Testfrage: Zeigt das ERP-System ihres Unternehmens bis auf jeden Fertigungsplatz, jede Maschine und über das vollständige Auftragsnetz an, wie sich die Verspätung eines Bauteils im Detail auswirkt? Falls nicht, ist es vermutlich an der Zeit, für diesen Bereich auf ein spezialisiertes Supply-Chain-Management-System zu setzen.
Voraussetzung für smarte Reihenfolgeplanung: top-aktuelle Daten
Eine enge Vernetzung mit den Lieferanten hilft wenig, wenn die vorhandenen Systeme erst nach dem nächsten Batchlauf mit den aktuellen Informationen arbeiten. Wertvolle Zeit geht verloren, wenn das Frühwarnsystem langsamer arbeitet als das des Mitbewerbers. Idealerweise verfügen ERP- oder SCM-Systeme jedoch nicht nur über einen Realtime Material Requirements Planning (MRP) fürs operative Geschäft, sondern auch über Echtzeit-Mechanismen bei der Erstellung von Simulationen und der Vorhaltung lebender Szenarien, um auf Brennpunkte möglichst schnell reagieren zu können. Der Plan B sollte griffbereit und auf dem aktuellen Stand in der Schublade liegen.
Reihenfolgeplanung durch intelligente Datennutzung
Bei immer mehr Daten und immer mehr Brennpunkten gewinnt auch die maschinelle Entscheidungsfindung stärker an Bedeutung. Ein automatisches Frühwarnsystem ist hierbei das Mindeste, was Planer inzwischen an der Hand haben sollten, um sich etwa Verfügbarkeitskonflikte im aufgestauten Auftragspool nicht auch noch manuell zusammensuchen zu müssen. Mehr noch: Automatische, KI- oder regelbasierte Entscheidungsfindung hilft heute bei der Automatisierung von Routine-Aufgaben, lenkt den Fokus gezielt auf kritische Situationen, bietet Lösungsvorschläge an oder setzt diese auch gleich um.
Ein typisches Beispiel dafür ist die Reihenfolgeplanung. Denn gerade bei Ressourcenknappheit stellt sich zusätzlich die Frage: Welche Aufträge sollen in welcher Reihenfolge bearbeiten werden? Umsatz vor Ebit, Stückzahl vor Prestigeauftrag, langjähriger Stammkunde vor spannendem Neukunden? Gerade heute ist eine intelligente Reihenfolgeplanung nach Verfügbarkeit und Kapazität, aber auch nach strategischer Priorität entscheidend. Die Automobilhersteller etwa haben eine Antwort darauf bereits gefunden. Es gilt aber: Jedes Unternehmen sollte über ERP- und SCM-Werkzeuge verfügen, um diese Strategien fundiert simulieren und in die Tat umsetzen zu können. Staus in der Abarbeitung von Aufträgen werden durch eine intelligente Reihenfolgeplanung und eine smarte Taktung von Beschaffung und Produktion zumindest teilweise entschärft und das Ergebnis kann trotz Lieferengpässen und reduzierter Stückzahlen dennoch positiv ausfallen.