Weltweite Lieferketten bringen einen immensen Kostenvorteil mit sich. Ihr größter Nachteil ist aber auch klar: Globale Lieferketten sind anfällig für globale Krisen. In einer Umfrage des Beratungsunternehmens Gartner verfügen lediglich 21 Prozent aller Teilnehmenden über ein widerstandsfähiges Netzwerk. Und an diesen mangelt es in der heutigen Zeit keinesfalls, man denke nur an die Konflikte rund um den für den weltweiten Nachschub von Produktionsteilen so wichtigen asiatisch-pazifischen Raum, mit den beiden großen Gegenspielern USA und China. Oder natürlich an die Corona-Pandemie, die einmal mehr die Verletzlichkeit des globalen Wirtschaftssystems offenbart hat. Wie also in Zukunft Lieferketten robust und gleichzeitig effizient organisiert werden können, zeigen diese sechs Strategien.
1. Strategie: Bestands- und Kapazitätspuffer
Die Pufferkapazität ist der einfachste Weg, um die Belastbarkeit zu verbessern, sei es in Form von nicht ausgelasteten Produktionsanlagen oder in Form von Lagerbeständen, die über die Anforderungen an den Sicherheitsbestand hinausgehen. Die Herausforderung besteht darin, dass Puffer teuer sind und Lieferkettenleiter möglicherweise Schwierigkeiten haben, sie für die C-Suite zu rechtfertigen.
Führende Unternehmen verwenden Puffer in Form von Stoßkapazitäten für neue Produkteinführungen oder Erweiterungen in neue Wachstumsbereiche. Unternehmen können auch Pufferkapazitäten erstellen, indem sie Vertragshersteller strategisch für ihre Spitzenanforderungen einsetzen.
2. Strategie: Diversifizierung von Fertigungsnetzwerken
Als Reaktion auf den Wirtschaftskrieg zwischen den USA und China haben viele Unternehmen damit begonnen, ihre Beschaffungs- oder Fertigungsstandorte zu diversifizieren. Für einige bedeutete dies, zu neuen Lieferanten außerhalb Chinas zu wechseln oder bestehende Partner zu bitten, sie von anderen Orten in Asien oder aus Ländern wie Mexiko zu beliefern.
„In den letzten Jahren haben sich die Betriebsunterbrechungen in der Lieferkette verstärkt. Dass bedeutet, dass die Kosten für die Beibehaltung mehrerer Lieferstandorte eher als Kosten für die Geschäftstätigkeit betrachtet werden müssen, nicht als Ineffizienz.
3. Strategie: Multisourcing
Im Jahr 2011 haben große Naturkatastrophen in Japan und Thailand die Lieferketten auf der ganzen Welt gestört und die Abhängigkeit der Unternehmen von einzelnen Lieferquellen gefährdet. In der Automobilindustrie konnten fast fertige Autos aufgrund fehlender und oft preiswerter Komponenten nicht an Kunden ausgeliefert werden. Multisourcing ist eine offensichtliche Möglichkeit, dieses Risiko zu mindern.
Um eine Multisourcing-Strategie zu entwickeln, müssen die Lieferkettenleiter ihre Lieferantennetzwerke im Detail kennen und in der Lage sein, Lieferanten nicht nur nach Ausgaben, sondern auch nach Umsatzauswirkungen zu kategorisieren, wenn ein störendes Ereignis eintritt. Eine Diversifizierung kann durch die Vergabe von Aufträgen an zusätzliche Lieferanten oder durch die Zusammenarbeit mit einem bestehenden Einzellieferanten, der in der Lage ist, an mehreren Standorten zu produzieren, erreicht werden.
4. Strategie: Nearshoring
Neben Multisourcing möchten einige Unternehmen die geografische Abhängigkeit in ihren globalen Netzwerken reduzieren und die Zykluszeiten für fertige Produkte verkürzen. Regionale oder lokale Lieferketten können teurer sein, da sie dem Ökosystem mehr Akteure und Komplexität hinzufügen, aber sie ermöglichen mehr Kontrolle über den Bestand und bringen das Produkt näher an die Endverbraucher*innen.
5. Strategie: Plattform-, Produkt- oder Anlagenharmonisierung
Je regionaler das Netzwerk ist, desto harmonisierter muss die Anlagentechnologie sein, damit sich die Produkte nahtlos über das Netzwerk bewegen können. Die Verwendung von gängigen Fahrzeugplattformen für eine Vielzahl von Modellen in der Automobilindustrie ist ein gut etabliertes Beispiel für eine solche Harmonisierung.
Die Standardisierung von Komponenten über mehrere Produkte hinweg – insbesondere solche, die für den Kunden nicht sichtbar oder wichtig sind – ist eine weitere Form der Harmonisierung. Dies vereinfacht die Beschaffungsrichtlinien und schafft Möglichkeiten, größere Mengen bei mehreren Lieferanten zu platzieren, was wiederum die Resilienz verbessert.
6. Strategie: Ökosystem-Partnerschaften
Die COVID-19-Krise hat die Notwendigkeit eines diversifizierten Beschaffungsansatzes aufgezeigt. Gleichzeitig ist jedoch die Zusammenarbeit mit strategischen Rohstofflieferanten und externen Dienstleistungspartnern auch entscheidend, um eine bessere Bereitschaft und Resilienz für die Zukunft zu gewährleisten. Für Unternehmen, die zu klein sind, um mehrere Standorte selbst zu unterstützen, können starke Beziehungen zu Vertragsherstellern und globalen 3PLs entscheidend sein, um die Produktion und den Vertrieb in verschiedenen Ländern zu diversifizieren.
Die Umfragedaten von Gartner zeigen, dass etwa die Hälfte der Lieferkettenorganisationen entweder externe Hersteller einsetzen oder untersuchen, wie sie Produktbewegungen unterstützen können, wobei ein ähnlicher Anteil Logistikpartner für diesen Zweck einbezieht.