19. März 2024
Fitness Coaches und Spitzensportler*innen schwören auf sie; in vielen Home-Gyms gehört sie mittlerweile ebenfalls zur Grundausstattung: Mit der Faszienrolle hat BLACKROLL eine eigene Produktkategorie etabliert und sich als Marke international einen Namen gemacht. Innerhalb weniger Jahre ist das Unternehmen aus der Schweiz zu einer Healthstyle Company mit 60 Mitarbeitenden und weltweiten Distributoren gewachsen.
Allein über seine Onlineshops verkauft BLACKROLL heute rund 500.000 Produkte im Jahr und zieht monatlich mehr als eine Million aktive Nutzer*innen auf die Website. Was die Wenigsten wissen: Hinter dem Erfolg der digitalen Touchpoints steht ein flexibles, hoch skalierbares E-Commerce-System, das auf Shopify basiert und Headless aufgesetzt ist.
Bei einem virtuellen Kaffee mit Mirko Mandic, Circle Lead E-Commerce bei BLACKROLL, haben wir Einblicke in die Entwicklung des Onlineshops, der Marke und ihrer Omnichannel-Strategie gewonnen. Wer erfahren möchte, wie sich BLACKROLL Headless aufgestellt hat und wie die Microservices-Architektur zum performanten E-Commerce-Erlebnis beiträgt, findet hier das komplette Interview – inklusive einer Grafik der besonderen Systemlandschaft.
BLACKROLL hat den Markt der Regenerations- und Fitnesstools mit einem Produkt erobert, das es in der Form noch nicht gab. Wie ist es euch gelungen, die Faszienrolle bekannt zu machen und daraus ein so erfolgreiches Business aufzubauen?
Das war vor etwa zehn Jahren mit Vertriebs- und Marketingmaßnahmen verbunden, die unter anderem auch auf Kooperationen in den Spitzensport beruhten, wie mit dem DFB und größeren Sportverbänden und -vereinen. Diese Netzwerke für die professionelle Anwendung der Faszienprodukte erzielten ziemlich schnell Breitenwirkung. Netzwerke in den Leistungssport bestehen bis heute, vor allem im Fußball, aber auch in vielen anderen Breitensportarten wie Handball oder Eishockey.
Gerade am Anfang gehörten auch Fitnessstudios, Sanitätshäuser und Physiotherapien sowie starke Handelspartner zu den massenwirksamen Multiplikatoren, um unsere Produkte bekannter zu machen. Hilfreiche Partner waren außerdem unsere Trainer und Trainerinnen: Wir haben in zertifizierten Programmen sogenannte Recovery Professionals in der Anwendung der BLACKROLL-Produkte geschult, die wiederum weitere Leute ausgebildet haben. Solche Multiplikatoren spielen für uns im Marketing und Sales noch immer eine große Rolle. In den letzten Jahren sind aber auch digitale Marketing-Performance-Kanäle und Social Media wichtiger geworden.
BLACKROLL ist als klassische Retail-Marke mit wachsender B2B-Kundschaft gestartet. Der E-Commerce spielte dabei zunächst eine nebensächliche Rolle. Wann und warum wurde der digitale Direktvertrieb für euch relevant?
Der D2C-Vertrieb ist für uns ab 2019 wichtiger geworden. Dahinter stand vor allem die Entscheidung, als Marke näher an unsere Endkundschaft vorzurücken. Die strategische Überlegung und Stoßrichtung dabei war: Wenn wir langfristig an den relevanten Kunden-Touchpoints als Marke präsent sein wollen, müssen wir stärker in die digitale Geschäftssäule investieren. Wir müssen möglichst viel über unsere Endkundinnen und -kunden wissen und mehr mit Kundendaten arbeiten, um Kundenbeziehungen aufzubauen. Nur so kann es uns gelingen, von indirekten Vertriebsmodellen unabhängiger zu werden und unsere Sales Channels zu diversifizieren.
Die Entwicklung zum Direktvertrieb hing auch mit der Entwicklung und Erweiterung unseres Sortiments zusammen: Wir haben mit der Zeit Produkte aufgenommen, die neben der aktiven Regeneration auch die passive Regeneration ansprechen, beispielsweise Kissen, Bettdecken und Matratzen. Diese Diversifizierung der Produkte und Entwicklung von einer reinen „Faszienmarke“ zu einer Regenerations- und Fitnessmarke war begleitet von einer Entwicklung der Vertriebskanäle.
Wie hat sich diese Entscheidung und Fokussierung auf neue Vertriebskanäle auf Verkaufszahlen ausgewirkt? Welchen Umsatzanteil macht beispielsweise euer Onlineshop heute aus?
2015 war der D2C-Anteil prozentual wahrscheinlich einstellig und der Großteil des E-Commerce hat über Marktplätze stattgefunden. Auch als ich vor fünf Jahren bei BLACKROLL angefangen habe, basierte der Erfolg noch stark auf dem klassischen Vertrieb; der E-Commerce hat nicht einmal 20 Prozent unseres Business ausgemacht. Heute generieren wir 40 bis 45 Prozent Umsatz über das D2C-Geschäft, der Rest kommt über Marktplätze und weiterhin über den Retail. Dieses Omnichannel-Vertriebsmodell hat für uns viele Vorteile und macht uns unabhängiger von einzelnen Kanälen. Die Diversifizierung und Parallelität der Kanäle ist prozessual aber auch eine gewisse Challenge: Für jeden Kanal braucht es eigene Prozesse und Strukturen.
Wie seid ihr dieser Challenge begegnet?
Ab 2019 haben wir angefangen, den Direktvertrieb über digitale Kanäle professioneller aufzubauen – sowohl organisatorisch mit personellen Ressourcen als auch technologisch. Für die Professionalisierung des Shops brauchten wir ein Team mit entsprechenden Kompetenzen, etwa für das Performance- und Direct Marketing, die E-Commerce-Architektur und alles, was nach dem Einkauf passiert: Customer Service, Aftersales- und Fulfillment-Prozesse mussten aufs nächste Level gebracht werden. Vor allem nachgelagerte Prozesse benötigten Anpassungen, um die parallel laufenden Vertriebsmodelle professionell betreiben zu können.
Auf welche Vertriebs- und Marketingkanäle fokussiert ihr euch heute?
Grundsätzlich haben wir festgestellt, dass omnichannel für uns ein echter Mehrwert ist. Es wird immer schwieriger, nur mit einem reinen D2C-Modell und ganz ohne Netzwerke Awareness zu schaffen. Ich glaube, dass wir mit der Retail-Basis aus den Anfangsjahren einen Vorteil haben im Vergleich zu anderen Marken, die diese Offline-Historie im Nachhinein versuchen anzugehen. Digital sind wir heute mit unserem Onlineshop, den Marktplätzen und unser App gut aufgestellt. Die BLACKROLL App steht allerdings noch am Anfang und ist eher Post-Purchase-Kanal, der dabei hilft, unsere Produkte bestmöglich anzuwenden. Nutzerinnen und Nutzer können zum Beispiel Trainingspläne erstellen, Übungen und Routinen abrufen.
Mit dem Onlineshop seid ihr 2015 gestartet. Warum fiel die Wahl dabei auf Shopify als E-Commerce-Plattform?
Shopify ist ein leicht zugängliches Tool, das mit geringen Hürden innerhalb kurzer Zeit die ersten Schritte und Anwendungen ermöglicht. Außerdem ist das System durch die Vielzahl der Shopify-Apps flexibel erweiterbar und ausbaufähig. Die Plattform kam der Überlegung und dem Ziel, die digitalen Kanäle von BLACKROLL über die nächsten Jahre stärker auszubauen, von Haus aus nach.
Wann und warum seid ihr dann zu Headless E-Commerce übergegangen?
Der Headless Shop ging im Oktober 2021 live. Gestartet ist das Projekt etwa ein Jahr vorher. Bei dieser Entscheidung kamen mehrere Faktoren zusammen. Einer davon war die Frage der Anpassungsfähigkeit und damit verbundenen Zukunftssicherheit. Klar war: Wir verfolgen eine Omnichannel-Strategie mit verschiedenen Vertriebsmodellen und potenziell weiteren Plattformen. Deshalb wollten wir die Systemlandschaft für künftige Erweiterungen und Anpassungen verschiedener Commerce-Frontends offen gestalten und die Inhalte durch eine Microservice-Architektur möglichst flexibel und unabhängig aufsetzen.
Hinzu kam der Punkt, dass wir verschiedene Content-Streams bedienen: Wir haben nicht nur den Shop, sondern vor- und nachgelagert einen umfangreichen Content-Hub mit Wissensartikeln, Anleitungen und Übungen, die an vielen Stellen mit dem Shop verbunden werden können. Das stellt andere Anforderungen an die digitale Aufbereitung als ein klassischer Shop. Der Grundgedanke war daher, alles, was vor und nach dem Kauf passiert, systemisch stärker voneinander zu entkoppeln, um die Option zu haben, diese Streams auch wieder flexibler zusammenführen zu können.
Perspektivisch spielte auch die Internationalisierung der Vertriebskanäle eine Rolle: Mit dem Direktvertrieb sind wir aktuell in Österreich, Deutschland, Benelux und Frankreich aktiv, haben aber weltweit Distributoren. Die Headless-Architektur ermöglicht uns auch im internationalen Kontext, flexibler zu skalieren.
Wie seid ihr vorgegangen, um eure Architektur Headless aufzustellen?
Organisatorisch haben wir entsprechende Teams gebildet. Das Core-Team für das Headless-Projekt bestand aus jeweils zwei Leuten aus den Bereichen E-Commerce, Marketing und Technik. Gerade in der initialen Phase waren für uns Partner wie valantic sehr wichtig, die uns mit strategischen und technologischen Kompetenzen unterstützt haben.
Wie handhabt ihr heute die Maintenance und Weiterentwicklung der Systeme?
Wir haben die technische Infrastruktur weitgehend ausgelagert; haben ein schlagkräftiges Inhouse-Team, setzen aber auch stark auf die Zusammenarbeit mit Partnern, die entsprechende Skills mitbringen, etwa rund um Daten, Tracking, Performance-Marketing, E-Commerce-Architektur und das notwendige Technologie-Setup. valantic berät und unterstützt uns zum Beispiel bei der Frontend-Entwicklung des Onlineshops und der Performance-Verbesserung der bestehenden Systeme. Dazu gehören Aufgaben rund um Schnittstellen, Authentifizierung und Nutzerdaten, Monitoring und Testing, aber auch Planungsfragen: Wie werden Dinge umgesetzt? Wie werden Services neu eingebunden?
Bei den Stichworten Microservices, Decoupled Frontend bzw. Headless landet man schnell bei Composable Commerce. Ihr habt frühzeitig in Anpassungsfähigkeit und einen flexiblen Tech-Stack investiert. Verfolgt ihr aktiv eine Composable-Commerce-Strategie?
Wir sprechen eher von einer Microservice-Architektur, haben aber viele Elemente von dem, was heute unter dem Stichwort Composable Commerce läuft. Der Ansatz, über den Weg von modularen, austauschbaren Bausteinen mehr Flexibilität und Anpassungsfähigkeit zu gewinnen, hat unsere Strategie und Entwicklung durchaus geleitet. Dahinter stand vor allem der Wunsch, neue Anforderungen künftig über APIs lösen zu können.
Wie ist die E-Commerce-Architektur von BLACKROLL heute aufgestellt?
Das hat uns Holger Welzel, Product Owner bei BLACKROLL, verraten. Unsere Grafik zeigt, welche „Extrameilen“ zur Performance und Skalierbarkeit der Systemlandschaft beitragen.
Wie geht es weiter bei BLACKROLL? Was sind eure nächsten Schritte und Ziele?
Zum einen möchten wir unseren Onlineshop und das D2C-Geschäft weiter stärken und ausbauen. Zum anderen wollen wir uns noch mehr auf internationale Cases konzentrieren und den Shop-Launch in weiteren Märkten angehen. Luft nach oben sehen wir auch im B2B-Commerce: Unser B2B-Shop ist aktuell ein Silo, losgelöst von der Headless-Architektur. Dieses Erweiterungsfeld möchten wir strukturierter angehen, um auch hier unsere Zielgruppen besser zu erschließen.
Ein Ongoing-Entwicklungsthema ist die Personalisierung und alles, was sich daran anschließt. Unsere Produkte sind in der Anwendung und Motivation zur Nutzung sehr individuell. Da ergibt sich ein großes Feld für die Personalisierung unserer Website und der App – generell unserer Marketingkanäle und Content-Seiten.
Auch an der Weiterentwicklung unserer Businessmodelle und am digitalen Produktmanagement bleiben wir dran: Wir möchten noch stärker Premium-Content in den E-Commerce bringen und unser Selbstverständnis als Marke nicht nur bei physischen Produkten ausbauen, sondern auch durch die Wertschöpfung über Experten-Inhalte.
Zu guter Letzt: Ist eure namengebende Faszienrolle noch immer das beliebteste und wichtigste Produkt bei BLACKROLL?
Aus Business-Sicht wurde die Faszienrolle von unserem Kopfkissen, dem Recovery Pillow, abgelöst, das wir 2018 lanciert haben. Wir haben unsere Marke in den letzten Jahren konsequent rund um das Thema Regeneration weiterentwickelt und unser Produktportfolio systematisch auch im Bereich der passiven Regeneration ausgebaut. Schlafprodukte wie das Pillow, aber auch Bettdecken und Matratzen, machen heute einen wesentlichen Bestandteil unseres Geschäfts aus und eignen sich auch hervorragend für den D2C-Vertrieb.
Mirko, vielen Dank für die spannenden Einblicke!
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