18. Dezember 2020
Markus Hoff ist seit März 2015 als Senior Consultant bei valantic im Bereich Logistikmanagement tätig und beschäftigt sich seit Beginn mit dem Thema strategische Netzwerkplanung und Szenarien-basierter Simulation von Lieferketten. Im Interview gibt er uns einen Einblick in das Thema Supply Chain Design, bei dem es darum geht, Entscheidungen zu fällen, die Standortfragen der Produktion und die Ausrichtung der Logistik betreffen.
Hallo Markus, kannst Du das Thema Supply Chain Design aus Deiner Sicht für uns näher erläutern?
Supply Chain Design ist ehrlich gesagt gar nicht so einfach zu erläutern, da es die Grundlage für ein effektives und erfolgreiches Supply Chain Management eines Unternehmens bildet und je nach Gesprächspartner unterschiedlich abgegrenzt wird. Aus meiner Sicht kann man vereinfacht sagen, dass im Supply Chain Design das gesamte Logistiknetzwerk eines Unternehmens detailliert geplant und mithilfe einer Simulation überprüft wird. Hierbei werden zunächst einmal wichtige strategische Entscheidungen End-to-End getroffen, wie beispielsweise die Lieferantenauswahl, Standortplanung für Lager und Fabriken sowie die Versorgung der Kunden.
In unserem Team gliedern wir Supply Chain Design in strategische, taktische und operative Ebenen und orientieren uns dabei an der Supply Chain Planning Matrix, um die unterschiedlichen Planungshorizonte und -aufgaben zuzuordnen (siehe Abbildung).
In der strategischen Planung wird das Grundgerüst einer Supply Chain mit Lieferanten, Produktionsstätten, Lagern und Kundenstrukturen definiert. Innerhalb der taktischen und operativen Planung wird dieses Grundgerüst mit zusätzlichen Informationen, wie beispielsweise Belieferungsstrategien oder der Verkehrsträgerauswahl angereichert, sodass eine vollständige Supply Chain entsteht. Selbstverständlich muss ich innerhalb eines Projektes nicht zwangsläufig alle Ebenen mit den aufgezeigten Planungsinformationen berücksichtigen, sondern kann mich je nach Fragestellung auf die relevanten Themen fokussieren.
Die Entscheidungen im Supply Chain Design sollten sich stark an den Vertriebs- und Produktstrategien des Unternehmens orientieren. Dementsprechend sind die Schnittstellen im Unternehmen auch vom Einkauf, über Produktion und Distribution bis hin zum Verkauf sehr breit gefächert und eng miteinander verzahnt, was die gesamte Thematik sehr interessant macht.
Welche Fragenstellungen können mit dem Supply Chain Design beantwortet werden und welche Vorteile habe ich durch die Simulation bzw. Optimierung?
Der große Vorteil der Simulation bzw. Optimierung besteht darin, dass ich geplante oder ungeplante Veränderungen meines Logistiknetzwerks mit definierten Kennzahlen überprüfen und deren Auswirkungen bewerten kann, ohne meine Supply Chain in der Realität verändern zu müssen. Dadurch ist es möglich, mein Netzwerk mit verschiedenen Zielfunktionen, wie beispielsweise minimale Transportkosten oder maximale Lieferfähigkeit (Service-Level), zu optimieren. In der Realität sind diese Zielfunktionen bekannterweise gegenläufig und müssen in Einklang gebracht werden, um eine optimale Konfiguration meines Netzwerkes zu erhalten.
Die Fragestellungen im Supply Chain Design sind aufgrund der Möglichkeiten im Simulations- und Optimierungsbereich sehr vielfältig, weshalb ich nur ein paar aufzählen möchte:
Die jeweiligen Themen variieren zwischen strategischen und taktischen Fragestellungen und benötigen je nach Ausprägung eine unterschiedliche Detaillierungstiefe. Mithilfe der Simulation bzw. Optimierung ist es möglich, Transportkosten zu reduzieren, Bestände zu minimieren und die Supply Chain nachhaltig zu gestalten.
In der aktuellen Krisensituation konnten wir feststellen, wie wichtig eine gut funktionierende Lieferkette für die Versorgung ist. Wie kann sich ein Unternehmen besser auf mögliche Krisen einstellen oder sich sogar schützen?
Das ist eine sehr interessante Frage, die natürlich in der momentanen Situation häufig diskutiert wird. Als Unternehmen kann ich mich ohne Weiteres auf mögliche Veränderungen und Störungen innerhalb der Supply Chain vorbereiten. Entsprechende Situationen können innerhalb der Simulation mittels sogenannter What-If-Analysen (Was-wäre-wenn-Analysen) oder Risikoanalysen genauer untersucht werden.
Bei der What-if-Analyse werden disruptive Ereignisse, wie beispielsweise die Insolvenz eines Lieferanten, wirtschaftliche und politische Krisen oder sogar Schäden an meiner logistischen oder produktiven Infrastruktur (bspw. durch Naturkatastrophen) untersucht. In der Risikoanalyse werden hingegen operationale Ereignisse, wie beispielsweise Nachfrageschwankungen, Transport-verzögerungen oder Fehlbestände, analysiert.
Entsprechende Ereignisse können innerhalb der Simulation auf einzelne Bereiche parametrisiert und mit möglichen Variablen (z.B. Eintrittswahrscheinlichkeit und Dauer) versehen werden. Auf Basis des Simulationsergebnisses kann ich relevante Schwachstellen identifizieren und Maßnahmen definieren, deren Wirksamkeit in einer neuen Simulation überprüft werden kann, um ein für mich optimales Netzwerk zu ermitteln. Denn eines muss uns bewusst sein: Die Frage ist nicht, ob ein nächstes Ereignis stattfindet, sondern, wann es eintreten wird und wie ich mein Unternehmen ideal darauf vorbereiten kann.
Vor welchen Herausforderungen stehst Du und Dein Team in einem Supply Chain Design-Projekt und wie meistert Ihr sie?
Herausforderungen kann es im Projektverlauf grundsätzlich immer geben. Dies liegt auch in der Natur eines Simulations- bzw. Optimierungsprojektes, da die Modelle und Ergebnisse für die Beteiligten nicht greifbar sind. Wichtig ist jedoch, dass das Projekt gleich mit dem richtigen Setup startet. Dies fängt mit der Formulierung eines konkreten Planungsziels an, wie beispielsweise der Planung eines neuen Distributionslagers in Europa mit bestehenden Restriktionen. Darüber hinaus definieren wir relevante Kennzahlen, mit denen das jeweilige Szenario bewertet werden kann. Genau dieses Setup muss von allen Projektbeteiligten mitverantwortet werden und wird von uns in der frühen Projektphase im Rahmen von Workshops über alle Hierarchie-Ebenen vorangetrieben, um die notwendige Akzeptanz zu erhalten. Dabei merken wir auch schnell, ob die Bereitschaft zur Veränderung über alle Ebenen hinweg gegeben ist oder ob wir mit einigen Personen intensiver kommunizieren müssen, um sie vom Projektziel zu überzeugen. Schließlich wird mit der Simulation bzw. Optimierung das Vorhaben erst einmal genau bewertet und die Überlegungen werden nicht direkt in der operativen Supply Chain umgesetzt.
Eine weitere und oftmals die größte Herausforderung besteht darin, die notwendigen Daten in der passenden Detailtiefe und Qualität zu erhalten. Ich habe schon des Öfteren zu Projektbeginn gehört, dass das Thema „Daten“ überhaupt kein Problem sei und alle Informationen schnell vorliegen könnten. In dem Moment werde ich immer hellhörig und weiß bereits, dass dies eine Herausforderung wird. In strategischen Planungsprojekten werden die Daten oftmals nicht in dem tiefsten Detailierungsgrad benötigt, sondern können sehr oft auch aggregiert werden, wie beispielsweise die jeweiligen Kundenbedarfe über den Planungszeitraum. Wenn jedoch tatsächlich relevante Daten fehlten, konnten wir bisher immer gemeinsam mit allen Beteiligten eine passende Lösung finden.
Was sind aus Deiner Sicht die Erfolgsfaktoren von valantic in einem Supply Chain Design-Projekt?
Ich persönlich glaube, dass neben der notwendigen fachlichen und logistischen Kompetenz der Faktor Mensch eine wichtige Rolle innerhalb des Projektes einnimmt. Darum ist es uns immer besonders wichtig, die Bedürfnisse, Sorgen und Erwartungen unseres Kunden zu verstehen und mit ihm gemeinsam das Projekt auf Augenhöhe umzusetzen. Dementsprechend ist das eben erwähnte Projekt-Setup zum Projektstart so essenziell. Nur so kann das Vertrauen zwischen unserem Kunden und uns als beratendem Team gestärkt, eine gemeinsame Denkweise entwickelt und die partnerschaftliche Zusammenarbeit somit gefestigt werden. Darüber hinaus ist unsere zielorientierte und analytische Vorgehensweise ein weiterer Erfolgsfaktor. Bereits in der Definition einzelner Ausprägungen und Szenarien können wir gemeinsam mit unserem Kunden entscheiden, ob die ausgewählten Varianten einen positiven Einfluss auf die Lieferketten haben oder ob wir eher eine andere Option wählen sollten. Schließlich geht es darum, die bestmögliche Konfiguration der Lieferketten für unseren Kunden zu finden, zu analysieren und zu bewerten und weniger optimale Lösungen bereits zu einem frühen Zeitpunkt auszuschließen.
Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast und weiterhin viel Erfolg bei Deiner Projektarbeit!
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