16. Juni 2020
SAP sieht derzeit Vision und Mission darin, Unternehmen mithilfe seiner Business Suite SAP S/4HANA auf dem Weg zum „Intelligent Enterprise“ zu begleiten. Auch für Einkaufsprozesse ergeben sich im Zuge der Digitalisierung neue Möglichkeiten und veränderte Abläufe. Thomas Latajka, Geschäftsführer bei valantic ERP Services und SAP S/4HANA Experte, berichtet aus eigener Beratungspraxis, wie sich der Beschaffungsprozess mit S/4HANA besser gestalten und weiter automatisieren lässt, wie sich Echtzeitdaten, Analysen und Simulationen konkret nutzen lassen und was die intuitive Fiori-Oberfläche wirklich bietet, wenn es um einfache und mobile Anwendung geht.
Thomas, als SAP ERP Spezialist in einem Digitalisierungsunternehmen führst Du derzeit bei mehreren Kunden S/4HANA-Projekte durch. Warum beschäftigen sich Einkaufsabteilungen aktuell mit der Digitalisierung?
Tatsächlich treffen wir in vielen Einkaufsabteilungen unserer Kunden auch heute noch auf komplett analoge Prozesse. Es wird nach wie vor im Tagesgeschäft viel gedruckt und gefaxt. Freigabeverfahren werden klassisch mit Unterschriften durchgeführt. Mit dem Umstieg auf SAP S/4HANA möchten Unternehmen aber den Schritt in Richtung Digitalisierung gehen. Getrieben wird diese Entwicklung durch mehrere Faktoren. Zum einen sind es strengere Compliance-Vorgaben, sowohl intern wie extern. Kunden werden von den Herstellern immer transparentere Auditverfahren auferlegt, worauf Produzenten zwangsläufig reagieren müssen, um dauerhaft in ihren Branchen, sei es in der Lebensmittelindustrie, Pharma- und Chemieindustrie oder als Automobilzulieferer ihre Kunden bedienen zu können. Da werden Aspekte wichtig wie ein nachvollziehbares 4-Augen-Prinzip für Freigabeverfahren, die dann natürlich auch mobil abgewickelt werden sollen, Lieferantenbewertung und auch eine transparente, nachvollziehbare Bezugsquellenfindung. All diese Themen treiben die Digitalisierung der Unternehmen voran und spielen eine Rolle bei der Umstellung auf S/4HANA.
Wo genau kommt dabei S/4HANA ins Spiel?
Viele mittelständische Unternehmen, die heute noch mit SAP ECC Systemen arbeiten, wickeln ihre Einkaufsprozesse on-Premise ab. Damit ist das neue S/4HANA-System als digitaler Kern und technologische Grundlage für den digitalen Wandel in Unternehmen als Basis gesetzt und spielt damit eine entscheidende Rolle auch in der Abwicklung von Beschaffungsprozessen. Neue Funktionen, die das S/4-System zur Verfügung stellt, beispielsweise aus den Bereichen Machine Learning oder Künstliche Intelligenz, Themen wie elektronische Eingangsrechnungsverarbeitung, Kontraktüberwachung oder transparente Bestandsübersicht, auch Transitbestände bei Intercompanygeschäften, werden zukünftig immer mehr an Bedeutung gewinnen. SAP hat auf seiner Entwicklungs-Roadmap interessante Punkte und wird den Bereich der intelligenten Features in S/4HANA weiter massiv ausbauen. Und wir sprechen hier nicht von einer Entwicklung, die erst in mehreren Jahren stattfindet, sondern von Veränderungen, die sich aller Voraussicht in kommenden Releases bereits in den kommenden zwölf bis achtzehn Monaten vollziehen.
Wo liefert S/4HANA gegenüber SAP ECC Vorteile?
Zum einen hat S/4HANA als technologische Basis eine deutlich leistungsfähigere HANA-Datenbank unter dem Applikationssystem. Diese kann dem Anwender in Echtzeit auf Knopfdruck sehr viel genauere und bessere Informationen zur Verfügung stellen. Das möchten Unternehmen natürlich auch intensiv nutzen und damit sind sie in der Lage, auch eine völlige Änderung in ihren Prozessen durchzusetzen. Im Gegensatz dazu verfolgt das SAP ECC System eher einen Pull-Ansatz. Das heißt, der Anwender muss aktiv Daten im ECC System suchen und aus ihm extrahieren: Er meldet sich im System an, wählt eine Funktion aus, muss diese mit verschiedenen Selektionsparametern versehen, ausführen und erhält dann am Ende eine Information, aus der er z.B. ableiten kann, dass es eine bestimmte kritische Situation in seinem Unternehmen gibt, auf die er zeitnah reagieren muss. Durch die Möglichkeiten, die Fiori-Elemente und die HANA-Datenbank bieten, können wir diesen Pull- in einen Push-Ansatz umwandeln. Das SAP S/4-System ist in der Lage, Event gesteuert über analytische Dashboards und entsprechende Fiori-Kacheln, also Live-Kacheln, den Anwender direkt auf kritische Situationen aufmerksam zu machen. Er muss diese kritische Situation also nicht mehr im System suchen, sondern wird direkt vom System darauf aufmerksam gemacht und kann entsprechend reagieren. Weiterer Vorteil des Fiori-Ansatzes im Vergleich zur alten ECC-Welt ist eine deutlich verbesserte Kollaboration innerhalb des Unternehmens, wenn es darum geht, Daten auszutauschen, sei es zwischen einzelnen Abteilungen oder Mitarbeitern.
Welche typischen Projektinhalte realisieren Unternehmen in diesem Bereich?
Ein großes Thema unserer Kunden aus der Nahrungsmittelindustrie ist das der Lieferantenbewertung. Kunden möchten auf Knopfdruck und in Echtzeit nachweisen können, dass sie ihre komplette Supply Chain bis hin zum Lieferanten im Griff haben. Hier bietet das S/4-System viele interessante visuelle Features.
Ein weiteres wichtiges Thema ist das Thema Freigabeverfahren in Beschaffungsprozessen. Diese sind heute, wie im Vorigen bereits angesprochen, häufig noch weitgehend analog. Mit dem Umstieg auf S/4 möchten unsere Kunden diese Prozesse nun digitalisieren und in dem Zuge auch mobilisieren. Im ECC-System war dieser Mobilisierungsaspekt in der Regel nur durch das Einbeziehen von Drittanbietersoftware möglich. Mit S/4HANA und Fiori haben wir jetzt ein leistungsfähiges Werkzeug an der Hand, mit dem wir diese Anforderungen sehr viel besser erfüllen können, da sie mit Fiori schon out of the box verfügbar sind.
Darüber hinaus beschäftigt unsere Kunden seit jeher das Thema Kostendruck. Durch die neuen Visualisierungsmöglichkeiten mit Fiori-Apps können wir das Preis-Leistungsverhältnis bei Lieferanten jetzt sehr viel schneller und einfacher beurteilen, als das früher unter ECC-Gesichtspunkten der Fall war. Auf einen Blick sind Qualität und Preis in ein Verhältnis gesetzt, was grafisch jetzt sehr gut dargestellt wird. Für den Einkäufer ist damit auf einen Blick transparent, welche die optimale Bezugsquelle in seinem Beschaffungsprozess sein sollte.
Last but not least sind unsere Kunden natürlich daran interessiert, ihre Bestände so gering wie möglich zu halten. Mit den Echtzeitmöglichkeiten in der Bestandüberwachung haben Einkäufer auch hier deutlich effizientere Werkzeuge als unter ECC an der Hand. Hier kommen auch neue Funktionen hinzu, wie beispielsweise das Kontraktmonitoring, also die Überwachung, wann welcher Vertrag ausläuft. Damit können unter S/4HANA günstige Bezugsquellen viel nachhaltiger gesichert werden.
Welche Empfehlungen kannst Du zur Optimierung von Einkaufsprozessen geben?
Empfehlung 1: Man sollte den Wechsel von ECC zu S/4HANA generell als Chance nutzen, um die bestehenden und seit Jahren im Unternehmen praktizierten Prozesse auf den Prüfstand zu stellen. Gerade im Einkauf finden wir häufig noch nicht-digitale Abläufe im Prozess. Genau der richtige Zeitpunkt, um solche alten Zöpfe abzuschneiden und Prozesse auf die Zukunft auszurichten, um die Optimierungspotenziale, die sich mit S/4 bieten auch wirklich auszuschöpfen.
Empfehlung 2: Holen Sie sich einen kompetenten Partner mit S/4-Erfahrung ins Haus. Man darf nicht unterschätzen, dass es sich bei S/4HANA um eine neue Software handelt, die zwar auch im Hintergrund manches Bewährte aus der ECC-Welt bewahrt, aber von SAP in einem erheblichen Innovationstempo vorangetrieben wird. Ein Innovationsrelease jagt hier das nächste und im Vierteljahresrhythmus erscheinen neue Features, so dass es für Anwenderunternehmen auch schon ressourcentechnisch schwierig wird, hier ständig am Ball zu bleiben und die für sich wichtigen Features zu erkennen und zu nutzen. Daher macht es Sinn, sich hier einen Partner an die Seite zu holen, für den das Thema S/4HANA Tagesgeschäft ist. Gerade im Einkauf ergeben sich durch die neuen modernen Oberflächen erhebliche Potenziale, die von Experten in der Regel erst vollumfänglich aufgezeigt werden können.
Empfehlung 3: Achten Sie auf eine schlanke, transparente Einführungsmethode bei S/4HANA-Projekten. Aus unserer Sicht sind klassische Blueprint-Projekte mit Wasserfallmethodik einfach nicht mehr zeitgemäß. Sie sind zudem aufwendig und teuer. Wir haben mittlerweile Methodiken entwickelt, die es möglich machen, solche Projekte sehr viel schlanker und effizienter abzuwickeln.
Das ist sowohl für die Kunden als auch die Berater von Vorteil, denn beide profitieren davon, wenn sich der Projektfortschritt jederzeit transparent monitoren lässt.
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