10. Februar 2020
Die Wartungsfrist für die SAP Business Suite 7 wurde verlängert. Was ändert sich jetzt für SAP-Anwenderunternehmen?
Naja, prinzipiell haben Unternehmen jetzt erst einmal 2 bis 5 Jahre länger Zeit, um ihre SAP-ERP-Software zu aktualisieren auf die neue Business Suite S/4HANA. Mit diesem Schritt hat SAP den schon lange brodelnden Konflikt mit den Anwenderunternehmen etwas entschärft. Für viele ist es mittlerweile zeitlich unmöglich, bis 2025 Transformationsprojekte wie diese umzusetzen. Es gibt ja auch immer einiges vorzubereiten. Know-how-Aufbau, Change Management und Stammdatenqualität sind nur einige wichtige Stichworte dazu. Die Wartungsverlängerung sollte daher auf keinen Fall als Grund zum weiteren Zögern betrachtet werden. Man darf nicht vergessen: Die wirkliche Frist für neue Technologien und Geschäftsmodelle wird nicht nur von einem Software-Hersteller vorgegeben. Letztendlich bestimmt immer der Markt die Anforderungen.
Was sollte Unternehmen zu einem schnellen Wechsel antreiben?
Zunächst einmal hat die Konsolidierung am Markt schon längst begonnen durch Unternehmen, die die Nase vorn haben wollen in Sachen Digitalisierung. Wenn man sich die tiefgreifenden Veränderungen – und damit meine ich auch die marktbestimmenden Chancen von S/4HANA – betrachtet, wird schnell klar, dass sich hier niemand erleichtert zurücklehnen sollte. Und das ist nicht der einzige Grund. Schon jetzt sind die Auftragsbücher der SAP-Beratungs- und Implementierungsunternehmen gut gefüllt. Für S/4HANA-Projekte sind unterstützende Digitalisierungsexperten mit entsprechendem Branchen-Know-how unbedingt zu empfehlen. Wenn die Anwender-Unternehmen ihr Transformationstempo jetzt also nicht erhöhen, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir uns in einem riesigen Projektstau befinden. Laut dem Investitionsreport 2020 der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e. V. (DSAG) ist mittlerweile zwar ein „Aufwachen“ zu erkennen – die Investitionen in S/4HANA sind zum ersten Mal höher als in die Business Suite – die abwartende Haltung überwiegt bei vielen allerdings noch. 40 Prozent der befragten Unternehmen planen den Umstieg in den nächsten 3 Jahren, weitere 23 Prozent sogar später. Das wird viele wahrscheinlich schon bald erneut ins Schwitzen bringen.
Laut dem DSAG Investitionsreport ist vielen der Mehrwert von S/4HANA nicht klar. Wie sieht das Potenzial denn konkret aus?
Die eigentliche Frage, die sich ein Unternehmen stellen muss, ist: Wo befinde ich mich im Software-Lifecycle mit meiner ERP-Lösung. Jede ERP-Lösung hat spätestens nach 15-20 Jahren das Ende der Lebensdauer erreicht und muss kompromisslos neu aufgesetzt und optimiert werden. Warum ist das so? In diesem Zeitraum haben sich Unternehmen oft radikal neuen Marktanforderungen gestellt, wie Carve-In und -Outs, Internationalisierung, Diversifizierung der Produktpalette oder Fertigung bis hin zu Losgröße 1. Alte Strukturen können solche Prozesse nicht mehr ausreichend abbilden. Dabei macht die Software an sich insgesamt nur einen Teil des Potenzials aus. Die eigentliche Chance ist das Redesign der bestehenden Prozesse. Wir kennen alle den Satz “Ausmisten befreit”. Das ist auch hier so. Am Ende stehen schlankere Prozesse und in der Regel deutlich geringere Kosten für Betrieb und Wartung.
Das Potenzial liegt ganz klar auch in der Innovationskraft von S/4HANA, den schlanken, flexibleren Prozessen und den neuen Technologien, die in Summe eine intelligente, durchgängige Vernetzung möglich machen. Mit S/4HANA gehören Machine Learning oder Künstliche Intelligenz zum SAP Standard und das Thema S/4HANA Cloud eröffnet noch einmal weitere Möglichkeiten für den schnellen Einsatz einer mächtigen ERP-Lösung. Wichtig zu wissen ist aber vor allem: Nur durch den Wechsel auf S/4HANA profitieren Unternehmen von den schnellen Innovationszyklen der SAP mit jährlich neuen Releases. Das heißt, mit S/4 wird überhaupt erst die technologische Grundlage geschaffen, um an den digitalen Entwicklungen teilhaben zu können. Dies wäre nicht möglich, wenn man in der alten ERP bzw. R/3-Welt verharrt. Es geht dabei um ganz konkrete Bereiche wie elektronische Eingangsrechnungsverarbeitung, Kontraktüberwachung oder eine transparente Bestandsübersicht. Die Liste der Innovationen in S/4HANA ist lang und SAP nimmt weiter Tempo auf in der Weiterentwicklung der Business Suite.
Technologisch betrachtet sind die deutlich leistungsfähigere HANA-Datenbank unter dem Applikationssystem und die mobil nutzbaren, browserbasierten Fiori-Oberflächen ein großer Vorteil. Dadurch kann das S/4-System in Echtzeit auf Knopfdruck sehr viel genauere und bessere Informationen zur Verfügung stellen. Einfach erklärt, verfolgt ein SAP-ECC-System einen Pull-Ansatz. Der Anwender muss aktiv darin Daten suchen und aus ihm extrahieren, indem er Funktionen auswählt, diese mit verschiedenen Selektionsparametern versieht und ausführt. Das SAP S/4-System verfolgt einen Push-Ansatz: Es ist in der Lage, den Anwender direkt auf kritische Situationen aufmerksam zu machen und zwar ereignisgesteuert über analytische Dashboards und Fiori-Kacheln mit Live-Kennzahlen. Er muss diese kritische Situation also nicht mehr im System suchen, sondern wird direkt vom System darauf aufmerksam gemacht und kann entsprechend reagieren. Für den Push-Ansatz wird zudem wesentlich weniger SAP-Wissen benötigt. Sprich: Das SAP S/4-System ist sehr viel anwenderfreundlicher.
Das klingt ja nach einer technologischen Revolution…
Ja, den Begriff höre ich auch immer wieder im Zusammenhang mit SAP S/4HANA. Dieser Vergleich hinkt aber aus meiner Sicht. Auch wird nirgends der berühmte Schalter umgelegt und man hat den Quantensprung ins digitale Zeitalter vollzogen. Viel eher kann man die Umstellung mit einer Evolution und einer Reise vergleichen. Jedes Unternehmen, das den Schritt in Richtung Digitalisierung geht, begibt sich auf eine Reise und durchläuft eine Entwicklung dabei. In jedem Fall sind die Vorbereitungen wichtig: Auf einer echten Reise legt man zunächst die Route fest, plant notwendige Impfungen ein, stellt alle wichtigen Reisedokumente zusammen und stimmt sich und seine Begleiter darauf ein. Für das Reiseziel S/4HANA sieht die Vorgehensweise ähnlich aus: Zunächst muss man entscheiden, welchen Weg man einschlägt, also welchen Projektansatz man wählt. Das kann Greenfield, Brownfield oder auch ein Stück weit von beidem etwas sein. Beim Greenfield-Ansatz definiert man die Prozesse auf der grünen Wiese neu und kann Cloud-Technologien voll nutzen. Brownfield erscheint oft nur auf den ersten Blick als die bessere Wahl, weil hier die bestehenden Prozesse migriert werden. Viele neue Möglichkeiten wie die Cloud-Applikationen lassen sich damit allerdings nicht verwenden.
Der nächste Schritt ist die Gestaltung der Roadmap und – ganz wichtig – wie man die eigenen Mitarbeiter ins Boot holt und zu Botschaftern dieses Wandels macht. Dieser ganz und gar nicht IT-spezifische Punkt ist keineswegs zu vernachlässigen. Auf einen komplett linearen Projektverlauf ohne besondere Vorkommnisse sollte man sich nämlich nicht verlassen. Auf der Reise wird es mit Sicherheit die ein oder andere Klippe zu umschiffen geben, wo etwas nicht sofort oder anders als geplant läuft. Darauf sollte das eigentliche Projektteam und die restlichen Mitarbeiter gefasst sein. Und das ist ein Punkt, den Unternehmen bei aller technischen Sicht der Dinge nicht vernachlässigen sollten, da er für den Projekterfolg entscheidend sein kann.
Muss man S/4HANA-Projekte anders angehen als klassische SAP-Projekte?
Kurz gesagt: Man kann S/4HANA-Projekte natürlich auch klassisch mit Blueprint und Wasserfallmethodik angehen. Das wird in der Regel dann aber schnell sehr aufwendig und teuer. Wir haben eine agile Projektvorgehensweise entwickelt, die Project Simplification, mit der wir speziell S/4HANA-Themen sehr viel schneller und transparenter umsetzen. Das ist für Kunden wie Berater von Vorteil, denn beide profitieren davon, wenn sich der Projektfortschritt jederzeit transparent monitoren und steuern lässt. Statt der sehr theoretischen Blueprint-Phase arbeiten wir schon während der Analysephase im S/4HANA-System. Heißt, der Kunde kann seine Prozesse direkt mit den Best-Practice-Prozessen von SAP abgleichen und viele davon auch schon vor Projektende in ersten Go-Lives mit allen Vorteilen konkret nutzen. Wir raten Unternehmen daher, sich vor allem die Einführungsmethoden der Digitalisierungspartner anzuschauen, denn diese sind auch für das Projektteam im Anwenderunternehmen ein wichtiger Orientierungspunkt in komplexen SAP-Projekten.
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