17. Dezember 2020
Marco Fuhr ist seit 2017 bei valantic im Team Logistikmanagement tätig. Gemeinsam mit seinem Kollegen Philipp Grittner begann er 2019 damit, das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen zu etablieren. Das betraf vor allem die Frage, wie wir für valantic ein nachhaltiges Umfeld schaffen können und wie auch valantic seine Kunden bei dieser Transformation unterstützen kann. Das Nachhaltigkeitsteam von valantic hat mehrere Ansätze im Supply Chain Management identifiziert, die eine hohe Dringlichkeit aufweisen.
Es gibt aktuell wenige Themen, die so kontrovers diskutiert werden wie das Thema Nachhaltigkeit. Aber was genau verstehst Du eigentlich unter Nachhaltigkeit?
Eine sehr gute Frage, da in der Diskussion über Nachhaltigkeit sehr häufig nur einzelne Aspekte im Fokus stehen. Eine sehr treffende Definition von nachhaltigem Handeln ist meiner Meinung nach, mit jeglichen Ressourcen so umzugehen, dass sich daraus keine negativen Effekte für die Zukunft ergeben. Ein aktuell sehr präsentes Beispiel dafür ist wohl die Klimaerwärmung. Unser Umgang mit den uns gegebenen Ressourcen übersteigt seit der industriellen Revolution die Regenerationsfähigkeit unseres Planeten. Dementsprechend führt unser Verhalten heute dazu, dass wir zukünftigen Generationen nicht die gleichen Voraussetzungen hinterlassen. Neben dem Klimawandel spielen bei der ökologischen Nachhaltigkeit aber auch Aspekte wie der Natur- und Artenschutz eine Rolle.
Nachhaltigkeit beinhaltet aber auch neben der ökologischen Komponente ökonomische und soziale Teilbereiche, die sich zum Nachhaltigkeitsdreieck zusammensetzen. Dieser auch “Triple-Bottom-Line“ genannte Ansatz geht davon aus, dass nachhaltige Entwicklung nur erreicht werden kann, wenn alle drei Komponenten gleichberechtigt umgesetzt werden. Ökonomisch nachhaltig zu wirtschaften, bedeutet neben dem effizienten Einsatz von Ressourcen auch, die Strategie an langfristigen Zielsetzungen auszurichten und nicht nur an kurzfristige Ziele zu denken wie etwa der Maximierung des Shareholder Value. Soziale Nachhaltigkeit beinhaltet neben der Armutsbekämpfung auch die gerechte Verteilung von Ressourcen und Chancen.
Anhand der Übertragung dieses Nachhaltigkeitsdreiecks auf die Zielfunktion im Supply Chain Management (SCM) zeigt sich die Komplexität der Thematik. Eine nachhaltiges Supply Chain Management muss in der Zielsetzung stets Ökonomie (Kosten), Ökologie (Umwelt) und Soziales (Mensch) berücksichtigen.
Wie lässt sich diese allgemeine Definition der Nachhaltigkeit denn auf Unternehmen übertragen und warum sollten sich Unternehmen mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen?
Nachhaltiges Handeln ist nicht nur für jeden einzelnen Menschen ein Thema, sondern ein gesamtgesellschaftliches. Dementsprechend ist die Politik aktuell in der Verantwortung, die Rahmenbedingungen entsprechend den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, Details unter: https://sdg-portal.de/de) auszurichten. Im Bereich Umweltschutz etwa setzt die Politik durch Reglementierungen (z. B. CO2-Bepreisung) und Förderprogramme konkrete Anreize für Unternehmen, ökologisch nachhaltig zu wirtschaften.
Neben der Politik erhöhen weitere Stakeholder den Druck auf die Unternehmen:
Durch diese vielfältigen Einflüsse auf die Unternehmen werden sich meiner Meinung nach in den nächsten Jahren die Nachhaltigkeitsbestrebungen in Deutschland besonders verstärken.
Euer Beratungsfokus liegt im Bereich Supply Chain Management. Welche Nachhaltigkeitsthemen haben Deiner Meinung nach in der Lieferkette die höchste Dringlichkeit?
Sofern ein Unternehmen nachhaltiger werden möchte, sollte es sich initial Gedanken machen, wie es Nachhaltigkeit definiert und welche Themen für das Unternehmen im Vordergrund stehen. Dabei können je nach Unternehmensstruktur ökologische, soziale oder ökonomische Faktoren in der Lieferkette im Fokus stehen.
Ökonomische Nachhaltigkeit ist der bereits am weitesten fortgeschrittene Bereich der Nachhaltigkeit. Schon seit Jahren versuchen Unternehmen, Ressourcen effizient einzusetzen, die Recyclingquote zu erhöhen und Müll zu vermeiden. Gerade hier gibt es im Supply Chain Management noch großes Steigerungspotenzial, etwa durch eine Implementierung eines Kreislaufansatzes über die gesamte Supply Chain und den Lebenszyklus.
Im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit wird aktuell ein Lieferkettengesetz kontrovers diskutiert. Dieses Gesetz würde ein in Deutschland ansässiges Unternehmen dazu verpflichten, die Einhaltung von ökologischen und sozialen Mindeststandards über die gesamte Lieferkette bis hin zu Rohstofflieferanten sicherzustellen. Diese diskutierte Anforderung zwingt Unternehmen dazu, sich noch intensiver mit der eigenen Lieferkette auseinanderzusetzen. Beispiele für die Nichteinhaltung nachhaltiger Mindeststandards finden sich unter anderem in der Textilindustrie (wirtschaftliche Ausbeutung und Nichteinhaltung von sozialen Mindeststandards in einzelnen Ländern) oder Automobilindustrie (Einhaltung von Standards für Arbeits- und Menschenrechte beim Abbau von Problemrohstoffen wie Kobalt in Afrika). Diese Beispiele zeigen, wie viel Nachholbedarf einige Unternehmen haben und wie groß der durch die Skandale entstehende Imageschaden für die Unternehmen sein kann.
Im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit sollte der erste Schritt jedes Unternehmens zunächst einmal sein, Transparenz über die aktuellen Umwelteinwirkungen seiner Geschäftsprozesse zu erlangen. Eine sehr verbreitete Möglichkeit für mehr Transparenz ist die Erstellung des Product oder Corporate Carbon Footprint, der den Ausstoß von Treibhausgasen durch ein Produkt oder ein Unternehmen bemisst. Sobald diese Klimabilanz erstellt wurde, können die größten Treiber identifiziert und Maßnahmen zur Treibhausgasreduktion definiert und umgesetzt werden.
Im Rahmen des Aufbaus unseres Leistungsportfolios konnten wir beispielsweise ermitteln, wie sich der CO2-Footprint eines batterieelektrischen Fahrzeuges entlang des gesamten Lebenszyklus zusammensetzt und wo die größten Treiber für Treibhausgas-Emissionen liegen.
Bei valantic beschäftigt Ihr Euch seit 2019 mit dem Thema Nachhaltigkeit. Wie kam es dazu und woran arbeitet Ihr aktuell?
Anfang 2019 begannen mein Kollege Philipp Grittner und ich damit, uns intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen. Auch privat liegt uns das Thema sehr am Herzen, weshalb wie unser Wissen hier sehr gut einsetzen konnten. Wir wollten nun prüfen, inwieweit wir als valantic Nachhaltigkeitsthemen in unser Portfolio aufnehmen können. Dabei wurden wir von der Geschäftsleitung von Beginn an unterstützt und erhielten alle Freiheiten.
Nachdem wir einige interessante Themen erarbeitet und gleichzeitig auch die Nachhaltigkeit unseres eigenen Unternehmen analysierten hatten, stellten wir Anfang 2020 unsere Ergebnisse im Management-Kreis vor. Wir erhielten die erhoffte Unterstützung und starteten eine Initiative innerhalb von valantic. Mittlerweile umfasst das Team Nachhaltigkeit zwölf Kolleginnen und Kollegen, die in unterschiedlichen Positionen bei valantic tätig sind.
Wir beschäftigen uns dabei einerseits mit valantic internen Themen, wie Ressourceneffizienz in unseren Büro- und Geschäftsprozessen, Nachhaltigkeits- und Sozialprojekten oder Auswirkungen der Remote-Arbeit auf unsere Projekte und Mitarbeitenden. Gleichzeitig konnten wir für das Jahr 2019 eine Klimabilanz für unseren valantic Standort in München erstellen, die es uns nun ermöglicht, den Ausstoß der Treibhausgase zu messen und daraus Maßnahmen zur Reduktion abzuleiten. Ein Beispiel für eine solche Maßnahme ist, dass wir unsere alte Hardware wie Notebooks, Server oder Handys nicht verschrotten, sondern an ein Unternehmen für IT-Life-Cycle-Management weitergeben. Die ausgediente Hardware wird dort recycelt oder auch weiterhin verwendet. Durch die Wiederverwendung konnten wir in diesem Jahr bereits 2,8 Tonnen CO2-Äquivalent einsparen.
Andererseits stehen für uns externe Themen im Vordergrund, die sich mit der Frage beschäftigen, wie wir unsere Kunden dabei unterstützen können, nachhaltiger zu werden. Dafür betrachten wir Erweiterungen und Akzentuierungen unseres Leistungsportfolios auf Nachhaltigkeit, wie beispielsweise die Schaffung von Transparenz zu Umwelteinwirkungen, die Umsetzung von Maßnahmen zur Ressourceneffizienz und Produktivitätssteigerung sowie Veränderungen in der Automobil-Branche durch nachhaltige Trends.
Was waren dabei für Euch die wichtigsten Erkenntnisse? Was müssen Unternehmen bei der Nachhaltigkeitstransformation beachten?
Der wichtigste Schritt auf dem Weg zu einem nachhaltigen Unternehmen ist meiner Meinung nach: anfangen. Die Strategie muss nicht immer bis ins letzte Detail festgelegt sein. Viel wichtiger ist, dass die Veränderungen und Entwicklungen für die Mitarbeitenden und andere Stakeholder glaubhaft und spürbar sind. Eine Nachhaltigkeitstransformation kann nicht gelingen, wenn es sich um eine vom Management definierte Strategie handelt. Vielmehr muss Nachhaltigkeit in den Werten des Unternehmens und der einzelnen Mitarbeitenden verankert werden. Dementsprechend liegt der Fokus auf den Kernkomponenten Change Management sowie der Förderung von internen Initiativen. Dabei können vermeintlich kleine Veränderungen im Alltag der Mitarbeitenden einen großen Effekt haben und eine Nachhaltigkeitstransformation erlebbar machen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, Transparenz zu schaffen und Erfolg messbar zu machen. Dies ist uns durch die Erstellung des Corporate Carbon Footprint für unsere valantic Standorte München und Böblingen gelungen. Auf dieser Basis können wir den Erfolg bereits umgesetzter Maßnahmen, beispielsweise des neuen Mobilitätskonzeptes oder der Umzug in ein energieeffizientes Bürogebäude direkt messbar machen. Die Klimabilanz des Unternehmens ermöglicht es uns ebenfalls, die größten Treiber unseres Treibhausgas-Ausstoßes zu identifizieren und Maßnahmen dagegen zu ergreifen.
Speziell in unserem Themenschwerpunkt Supply Chain Management ist es meiner Meinung nach elementar, sich nicht nur auf eine einseitige Betrachtung zu fokussieren, sondern stets eine ökologisch und ökonomisch sinnvolle Lösung zu finden, die gleichzeitig auch noch sozial nachhaltig ist.
Vielen Dank für das Gespräch, Marco!
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