30. Juli 2020
Marian Kral ist bei valantic im Bereich Supply Chain Excellence tätig und widmete sich bereits während seines Studiums dem Thema „Change Management“. Sein Wissen kann er nun sehr gut in der Projektarbeit ins Praktische umsetzen. Im Interview gibt er Einblick in das Themengebiet „Change Management“ und geht anschließend auf einen ausgewählten Teilaspekt ein, den er uns an einer beispielhaften Projektsituation veranschaulicht.
Wie würdest Du Change Management kurz beschreiben? Was ist Change Management?
Das klingt jetzt ähnlich einer Definition, trotzdem beschreibe ich Change Management in seiner einfachsten Form gerne als die geplante Koordination, eine Organisation, nachhaltig von einer Situation A zu einer Situation B zu begleiten. Die Projekte können unterschiedliche Gestalt annehmen und haben meist einen Fokus auf Software, Prozesse oder Organisation. Auch wenn es nicht explizit gefordert ist, unterstützen wir unsere Logistikprojekte immer mit einer bestimmten Auswahl an unterschiedlichen Change-Management-Modellen, da wir so am schnellsten auf mögliche „Ausreißer reagieren“ können.
Change Management bildet keine klaren Grenzen und macht eine einheitliche Definition daher fast unmöglich. Bereits mit der Verwendung von Begrifflichkeiten wird bei kleinsten Abweichungen eine Diskussion unter den Spezialisten losgetreten, wie folgende Beispiele zeigen:
Aus meiner Sicht gibt es neben diesen und vielen weiteren Fragen im Change Management eine Vielzahl an Begriffen, die einem „Buzzword-Bingo“ ähneln. Diese sind in vielerlei Hinsicht wichtig und richtig, müssen aber gezielt in den Veränderungsprozess integriert und über den kompletten Prozess beobachtet und nachjustiert werden.
Wenn Du gerade unterschiedliche Modelle ansprichst, wie finde ich das passende Change-Modell für mein Projekt?
In der Literatur, aber auch in der Praxis werden viele Modelle angewendet und auch immer wieder weiterentwickelt. Change Management ist so dynamisch wie die Unternehmen selbst. Wir werden mit ziemlicher Sicherheit in den kommenden Jahren Modelle sehen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Das ist vollkommen normal und mit dem Wandel der Unternehmen, der Berufe und der darin beschäftigten Menschen zu beschreiben. Trotzdem gibt es einige Modelle, mit denen wir in den Projekten gute Erfahrungen gemacht haben und deshalb auch zum Einsatz kommen. Häufig werden Modelle aus dem Bereich „Phasen und Prozesse“, wie das 3-Phasen-Modell nach Lewin, das 5-Phasen-Modell nach Krüger oder das 8-Phasen-Modell nach Kotter beschrieben. Das schrittweise Vorgehen dieser Modelle macht absolut Sinn und kann je nach Komplexität angereichert oder minimiert werden. Wir unterteilen zusätzlich in einige weitere Bereiche:
Hinter jedem dieser Bereiche verbergen sich unzählige Modelle. Dabei sind für die Anwendung eines geeigneten Modell-Sets immer die Situation und das Projektsetup die entscheidenden Auswahlfaktoren. Wenn es die Situation erlaubt, beginne ich gerne mit dem Bereich „Mensch und Persönlichkeit“, um geeignete und motivierte Menschen zu begeistern und den Funken der Veränderung auf ihre Kollegen überspringen zu lassen. Hat sich erst einmal ein gutes Team geformt, können die weiteren Themen und Prozesse gemeinsam entwickelt werden. Wir entwickeln gerne persönlich in Workshops ein gemeinsames Zielbild und ein passendes Projektlogo. Das kann je nach Unternehmen eine Bandbreite von sehr frei und agil bis hin zu geleitet und konservativ einnehmen.
Kannst Du vielleicht auf ein Change-Management-Modell näher eingehen und es beschreiben?
Ja, sehr gern. Dazu würde ich kurz auf die generellen Phasen von Teams eingehen, weil meine Erfahrung zeigt, dass jedes Thema von den Menschen im Unternehmen selbst getragen und getrieben wird. Auch wenn es offensichtlich ist, muss immer wieder daran erinnert werden, dass in Unternehmen Menschen arbeiten, die unterschiedliche Fähigkeiten, Vorlieben und Werte verfolgen. Dazu muss verstanden werden, dass viele Projektverzögerungen oder Eskalationen auf der Zusammenarbeit von genau diesen Menschen basieren. Daher ist es wichtig, auf die klassischen Team-Phasen einzugehen. Dazu gibt es zahlreiche Modelle, die im Kern immer ähnliche Punkte adressieren. Jedes Team durchlebt unterschiedliche Phasen der Zusammenarbeit, wobei gerade diese Phasen mithilfe von externer Unterstützung gezielt be- oder entschleunigt werden können. Folgende Abbildung (Modell nach Tuckman) zeigt beispielhaft eine Übersicht über fünf aufeinander folgende Teamphasen.
Natürlich sehr verkürzt, aber so können wichtige Teamphasen verstanden und eingeordnet werden. Es ist wichtig zu erkennen, dass Konflikte entstehen können und ausgetragen werden müssen. Auch können die Phasen wiederholt eintreten, wenn das Team beispielsweise durch neue Teammitglieder bereichert wird, neue Abteilungen hinzukommen oder sich der Projektscope verändert.
Was waren Deine größten Herausforderungen in einem SCM- und Logistikprojekt und wie konntest Du und Dein Team sie meistern?
Wie schon gesagt, der Dreh- und Angelpunkt in einem Change-Management-Projekt ist der Mensch. In der Vergangenheit konnte wir sehr komplexe und große Projekte mit vielen involvierten Abteilungen und Menschen begleiten. Ich möchte hier speziell aber auf ein Thema eingehen, in dem es um die Herausforderungen in einem sich wandelnden Team gehen.
Lass mich die Ausgangssituation kurz umreißen: Im besagten Projekt war ein Team von ca. 20-25 Personen aktiv an einer Prozessentwicklung und Softwareeinführung beteiligt. Das leitende Kernteam bestand aus ca. 5-10 Personen. Die Prozesse wurden bereits zum Teil erarbeitet und die jeweiligen Teamrollen im Kernteam hatten sich gefestigt, vergleichbar mit der „Norming-Phase“ im oben beschriebenen Modell.
Die Herausforderung bestand nun darin, dass zum leitenden Kernteam spontan ein neues, fachlich-dominantes Teammitglied hinzukam. Das neue Teammitglied hinterfragte den bisherigen Stand des Konzepts, die erarbeiteten Prozesse und die gesamte Vorgehensweise. Dadurch haben sich aus der Sicht einiger Teammitglieder die festgelegten Rollen verschoben, und Rivalitäten und auch Rangkämpfe mussten erneut ausgetragen werden. Hier konnten wir einen ungewollten Rückschritt in die Storming-Phase beobachten.
Unser Lösungsvorschlag sah vor, dass nur durch aktives Einschreiten des Projektleiters und die transparente Aufklärung der Teamphasen ein einheitliches Verständnis erzeugt werden konnte. Zusätzliche, eher lockere Gespräche mit den Betroffenen lösten die angespannte Situation auf. Das Team wurde auf diese einfache Weise mit transparenter Kommunikation schnell aus der Storming– über die Norming– in die gewünschte Performing-Phase gehoben.
Meine Erfahrung ist, dass häufig diese beschriebenen, sehr kleinen zwischenmenschlichen Themen ein Projekt zu einem normal laufenden oder außergewöhnlich guten Projekt machen.
Was sind die generellen Erfolgsfaktoren von valantic in einem Change-Management-Projekt?
Erfolgsfaktoren gibt es viele, aber meines Erachtens ist vor allem Transparenz, nachvollziehbares Handeln mit einem gemeinsamen und sinnvollen Ziel ausschlaggebend. Wir nennen das „Change-Story“. Neben einer gut geplanten und durch erfolgreiches Projektmarketing vermittelten Change-Story, werden die nicht am Prozess beteiligten Menschen im Unternehmen über den Projektfortschritt informiert und auf den konkreten Wandel vorbereitet. Dabei ist die Change-Story als gezielt eingesetztes Werkzeug im Vorfeld ein Baustein zur Sensibilisierung der Menschen innerhalb des Projektteams. Für ein erfolgreiches Change Management müssen ausnahmslos folgende Punkte berücksichtigt werden:
Danke für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg bei Deiner Projektarbeit.
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