18. März 2021
Künstliche Intelligenz ist aktuell das heißeste Thema in der professionellen IT. Es ist mit vielen Vorschusslorbeeren und hohen Erwartungen behaftet. Warum eigentlich? Wir haben uns die Projekte von Anwenderunternehmen genauer angesehen, um Antworten zu aktuellen Prozessen und Potentialen von Künstlicher Intelligenz im Einsatz finden.
Aktuell beziffern wir von PAC | teknowlogy den Markt für Dienstleistungen rund um künstliche Intelligenz (KI) auf knapp eine Milliarde Euro im Jahr 2020 in Deutschland. Dazu zählen wir beispielsweise Beratungsleistungen und Services rund um die Einrichtung und den Betrieb neuer, KI-basierter Applikationen und Infrastrukturen. Die Summe von einer Milliarde Euro pro Jahr klingt viel, relativiert sich aber ein wenig angesichts des Gesamtmarkts für IT-Services in Deutschland, den wir für das laufende Jahr auf über 40 Milliarden Euro schätzen.
Erst der Blick auf die Wachstumszahlen belegt die Aufregung um KI: Während wir für die Jahre 2020 bis 2024 für den gesamten IT-Services-Markt ein Wachstum von 5,5% erwarten, kratzt die Zuwachsrate für KI-Services an der 30%-Marke– der KI-Services-Markt wird also rund fünfmal so schnell wachsen wie der Gesamtmarkt. Die Kunden investieren ordentlich in neue KI-Lösungen, und die Anbieter freuen sich über eine schnell wachsende Nachfrage– so lautet die verkürzte quantitative Analyse.
Um einen genaueren Einblick in den qualitativen Status quo von KI-Projekten zu erhalten, haben wir uns eine Vielzahl von Vorhaben deutscher Unternehmen genauer angesehen. Für ein strukturiertes Vorgehen haben wir insgesamt sieben typische Geschäftsprozess-Cluster definiert und in diesen zahlreiche laufende oder kürzlich abgeschlossene Anwenderprojekte ausgewertet. Hier ein kleiner Auszug aus den Ergebnissen:
Im Personalwesen werden KI-Lösungen genutzt, um geeignete Kandidaten zu identifizieren oder um Lebensläufe und Anschreiben automatisch auszuwerten. Im Sinne einer ganzheitlichen Mitarbeiterbetreuung, und um künftigen Anforderungen an Fachwissen und dem Fachkräftebedarf gerecht zu werden, nutzen erste Unternehmen KI-Lösungen außerdem, um ihre Ausbildungsprogramme zu optimieren. Generell streben Unternehmen einen höheren Grad an Automatisierung an, etwa beim Onboarding neuer Mitarbeiter und anderen administrativen Prozessen.
Im Bereich Customer Experience steht die effiziente, aber individuelle Kundenbetreuung ganz oben auf der Agenda. Beliebtes Mittel ist der Chatbot, dessen Einsatz heute schon stark verbreitet ist. Der Fokus des KI-Einsatzes verschiebt sich im CX-Bereich aber zunehmend hin zu den nachgelagerten Prozessen im Kundenservice, also automatisches Routing von Anfragen auf Basis von Inhalts- und Stimmungsanalysen, sich selbst steuernde Social-Media-Aktivitäten oder bessere Ergebnisse im Verkaufsprozess, wie zum Beispiel Next Best Action Recommendations (Kaufempfehlungen).
Im Supply Chain Management beziehungsweise in der Logistik zeigt sich insgesamt ein reger Einsatz von künstlicher Intelligenz. Hier geht es viel um die intelligente Auswertung und Korrelation unzähliger externer und interner Informationsquellen, um Routen zu optimieren und um (kritische, verderbliche) Waren termingerecht liefern zu können. Demand Forecasting und automatisierte Prozesse im Lagerwesen sind weitere wichtige Anwendungsfelder von KI-Lösungen.
IT-Sicherheit & Datenschutz ist ein anspruchsvolles, weil sensibles Thema. Unternehmen greifen hier gerne auf KI-Technologien zurück, um etwa den gesetzeskonformen Umgang mit solchen Daten zu prüfen und zu gewährleisten, die der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) unterliegen. Auch im Risikomanagement kommen Lösungen zum Einsatz, die Zukunftsszenarien skizzieren und bei der Entscheidungsfindung helfen sollen.
Im Einkauf und der Finanzbuchhaltung streben Unternehmen mit Hilfe von KI nach mehr Transparenz ihrer Zahlungsprozesse oder wollen das Finanzmanagement verbessern. Dazu werden beispielsweise historische Transaktionsdaten mit aktuellen Informationen korreliert, um Aussagen über künftige Entwicklungen treffen zu können.
In der Fertigung werden unter dem Stichwort „Predictive Maintenance“ vergleichbare KI-Mechanismen verwendet, wobei die Modernisierung der Produktionsumgebungen durch Industrie 4.0-Technologien wichtige Grundlagen für die datenbasierte Optimierung geschaffen hat. Zunehmend interessant und gefördert wird der KI-Einsatz aber auch in Bereichen wie Qualitätssicherung und Produktentwicklung.
Last, but not least haben wir uns den IT-Betrieb genauer angesehen. Hier finden sich KI-Projekte, um etwa das Sicherheitsniveau zu erhöhen (zum Beispiel via Log-File- und Access-Analyse) oder die Ticketbearbeitung zu beschleunigen.
Bei der Analyse sind uns noch vielfältige Projekte aus anderen Segmenten aufgefallen. Beispielsweise gibt es recht viele Initiativen bei Behörden, in Unternehmen aus der Medienbranche sowie bei Banken und Versicherungen. Natürlich konnten wir bei unseren Recherchen nur einen Ausschnitt der aktuellen Aktivitäten bewerten. Ein Muster hat sich indes klar herauskristallisiert: Fast alle Vorhaben zielen auf Effizienzgewinn und verbesserten Kundenservice. Neue, KI-basierte Geschäftsmodelle sind aktuell noch zu visionär.
Unterm Strich hat sich gezeigt, dass das Geschäft mit KI derzeit noch ein unreifer – oder um es positiv zu formulieren – ein ausbaufähiger Markt ist: Die Projekte sind oft kleinteilig und fügen sich vielerorts noch nicht in ein strategisches, unternehmensweit einheitliches Rahmenwerk ein. Sprich, es wird viel gestartet, ausprobiert und wieder verworfen. Aber es wird auch viel gelernt, und es wird trotz aller Widrigkeiten viel erreicht. Was heute noch als Stückwerk erscheint, kann morgen schon Wettbewerbsvorteile in ungeahntem Maße liefern. In jedem Fall fließen derzeit viele Investitionen in daten- und AI-basierte Projekte – und das übrigens in anderen Ländern in sehr viel höherem Maße, vor allem in den USA und in China, die zudem weniger starken Restriktionen beim Datenschutz unterliegen. Vor diesem Hintergrund ist es für hiesige Firmen wichtig, sich frühzeitig im KI-Umfeld und in entsprechenden Projekten zu engagieren. Man sollte das Potential von KI zur Verbesserung aktueller Geschäftsprozesse und zur Gestaltung neuer Geschäftsmodelle keinesfalls unterschätzen.
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