5. Januar 2021
Für 78 Prozent der Unternehmen sind User Experience und Customer Experience die beiden Schlüsselfaktoren im E-Commerce und im Multi-Channel-Vertrieb. Sie entscheiden über Erfolg oder Misserfolg bei der Einführung neuer Portale und Technologien. Zu diesem Ergebnis kamen valantic und Lünendonk in einer Umfrage, die im Juli 2020 durchgeführt wurde.
Was macht eine gute Customer Experience aus, zahlen Kunden bei guter Customer Experience mehr und worauf sollten E-Commerce Shop Betreiber achten? Antworten auf diese Fragen gibt Vincent Aniol, RE-/UX-Consultant bei valantic CEC Schweiz.
Warum ist Customer Experience, wie aktuelle Umfragen bestätigen, heute so wichtig geworden?
Dafür gibt es zwei Hauptgründe: Immer mehr Menschen sind mittlerweile in die digitale Welt hineingeboren und erwarten auch in ihrem Berufs-Umfeld, dass Dinge so einfach funktionieren wie ihr Smartphone. Kundinnen und Kunden sind heute viel digitalaffiner als noch vor fünf oder zehn Jahren. Große Firmen wie Apple und Amazon, im Alltag omnipräsent, machen uns vor, wie einfache Consumer-Produkte funktionieren.
„Die Wechselhürden sind extrem niedrig. Ein Klick, schon ist der Kunde weg.“
Der zweite Grund: Die Konkurrenz am Markt ist riesengroß. Viele Produkte differenzieren sich mittlerweile fast ausschließlich über eine gute Customer Experience. Beispiel Musik-Streamingdienste: Fast alle Anbieter offerieren ein ähnliches Angebot, haben fast identische Flatrates und Preisstrukturen und funktionieren auf allen Geräten. Die Wechselhürden sind extrem niedrig. Ein Klick und schon ist der Kunde weg. Welcher Anbieter die meisten Kundinnen und Kunden für sich gewinnt, das hängt oft davon ab, wie die App designt ist und wie gut sich das Produkt ins eigene Leben einfügt. Gute Customer Experience hält vom Wechseln ab.
Kann eine E-Commerce-Lösung mit eher schlechtem CX und UX nicht auch gut funktionieren? Beispiele wären Online-Shops mit Elektronik-Bauteilen für Nerds oder Shops mit sehr günstigen Preisen?
Elektronik-Bauteile für Nerds sind ein gutes Beispiel. Vielleicht ist dieser speziellen Klientel das Kundenerlebnis nicht so wichtig. Aber jeder Kunde und jede Kundin hat eine Customer Experience, ganz egal ob er oder sie das wichtig findet oder nicht. Wenn Elektronik-Bauteile in einem E-Commerce Shop schlecht auffindbar sind, weil die Suche zu restriktiv oder die Navigation zu unübersichtlich ist, dann werden auch Nerds diese Produkte bei der Konkurrenz kaufen.
Der Preis ist ein riesiges Thema und auch unästhetische Online-Shops können funktionieren. Das Geheimnis liegt aber im Potenzial. Man kann durch eine bessere Customer Experience zufriedenere wiederkehrende Kunden gewinnen und mehr verkaufen. Kaufprozesse und Preise sind ein sehr implizites psychologisches und ganzheitliches Thema. Wer sich die Mühe macht, durch Research besser zu verstehen, wie Menschen beim Shoppen vorgehen, kann selbst in einem schlecht designten Shop gezielt den Kaufprozess verbessern.
„Kunden zahlen ohne zu zögern höhere Preise, wenn der Versand schnell liefert oder die Fotos im Shop realistisch sind.“
Mit Design ist dabei nicht nur das optische Erscheinungsbild gemeint, sondern auch all das, was Kunden im Online-Shop tun können und welche Inhalte sie wann zu Gesicht bekommen. Nutzer*innen im richtigen Moment passende zusätzliche Artikel anzubieten oder Hürden beim Check-out zu reduzieren kann die Umsätze signifikant steigern. Oft zahlen Kunden ohne langes Nachdenken höhere Preise, weil sie zum Beispiel bemerken, dass der Versand sehr schnell liefert oder die Bilder im Shop wirklich aussagekräftig, realistisch und groß ausfallen. Aber wenn die Navigation, der Warenkorb oder der Check-out fehleranfällig ist, werden Kundinnen und Kunden gerne für wenig mehr Geld bei der Konkurrenz bestellen.
Was sind die oft begangenen Fehler im CX Research?
Sehr oft habe ich bemerkt, dass Benutzer*innen am Anfang eines Research-Interviews bereits mit Fragen konfrontiert werden wie „Was halten Sie von …?“ Solche Fragen sind meist nicht zielführend. Der Grund dafür liegt im sogenannten „Value Action Gap“, also einer psychologischen Lücke zwischen dem, was Menschen tun und dem, was sie sagen.
Menschen sind im Allgemeinen nicht gut darin, ihr Verhalten zu reflektieren und korrekt wiederzugeben. Kundinnen und Kunden verhalten sich in einem Online-Shop also anders, als sie es dem Interviewer vielleicht erzählen. Maßgeblich für UX-Professionals ist aber, das Verhalten der Benutzer*innen zu verstehen und die Ergebnisse dann in adäquate Designs zu übersetzen.
Beim E-Commerce könnte man die Analytics-Daten als Verhaltensgrundlage heranziehen und darauf basierend Interviews führen. Kehren Kunden zum Beispiel im Checkout-Prozess häufig auf eine vorherige Seite zurück, dann wäre die Frage „Warum haben Sie das Gefühl, dass Sie hier noch mal zurückgehen müssen?“ zielführender, als direkt zu fragen „Würden Sie eine solche Checkout-Seite gut finden?“
Erst wenn UX-Professionals die Probleme beim Check-out kennen, können sie den Prozess so re-designen, dass die Probleme auch wirklich gelöst werden. Eine sehr gute E-Commerce-Lösung, die mit einem „Best of Swiss Web“-Award in der Kategorie „Digital Commerce“ prämiert wurde, hat zum Beispiel das Unternehmen Winterhalter + Fenner mit den Digital Business Experten der valantic CEC Schweiz realisiert.
Was schätzt Du: Wieviel Prozent vom Umsatz verschenken E-Commerce-Betreiber, die einen Shop mit schlechter CX und UX betreiben?
Customer Experience ist ein sehr ganzheitliches Thema, das als Ganzes auch schwer in Zahlen zu fassen ist. Wie viele Umsatzprozente Shop-Betreiber wegen einer nicht adäquaten Customer Experience verlieren, lässt sich deshalb nicht exakt messen Was man aber messen kann, sind einzelne Aspekte der Customer Experience wie Kaufabbruch-Raten, die durchschnittliche Warenkorbgröße, der Prozentsatz wiederkehrender Kunden oder die für den Check-out-Prozess benötigte Zeit. Online-Shop-Betreiber, die diese Zahlen optimieren, können viel gewinnen.
Mit welchen Tools oder mit welcher Software lässt sich der Dialog mit den Kunden perfektionieren?
Es erstaunt jetzt vielleicht, aber ich bin der Ansicht, dass relativ einfachen Tools und dem Offline-Kontakt immer noch sehr viel Wert beikommt. Natürlich leben wir in einer digitalen Welt und natürlich haben wir auch sehr viele digitale Tools zur Auswahl. Aber wenn es um CX Research geht, dann ist, wann immer möglich, der persönliche Kontakt zu Benutzer*innen sehr hilfreich, was bedeutet: hingehen, sich vor Ort umschauen oder telefonieren. Empathie baut man vor allem durch persönliches Miteinander auf. Am Ende haben sehr oft die Lösungen begeistert, bei denen wir viel Empathie aufbauen konnten und die Benutzer*innen sich wirklich verstanden fühlen.
Vielen Dank für das Gespräch, Vincent.
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