18. Mai 2020
In der aktuellen Krise müssen die meisten Unternehmen auf den stationären Handel verzichten. Die einzige Lösung scheint die Digitalisierung der Vertriebswege. Wie ist Dein Eindruck: Was bedeutet die Krise für die Digitalisierung speziell im B2B-Commerce und könnte das E-Commerce davon sogar profitieren?
Es zeigt sich in der aktuellen Krise, dass die Gesellschaft aus Angst vor der Zukunft generell weniger konsumiert. Auch Unternehmen haben Ausgaben bzw. Investitionen in vielen Bereichen reduziert.
Durch den Lockdown und die einhergehende Schließung von Läden war von einem Tag auf den anderen nur noch der digitale Vertriebskanal offen. Unternehmen, die schon vor Corona neben dem stationären Handel auch auf online setzten und ihre Kunden über alle verfügbaren Kanäle bedienten, waren nun im Vorteil. B2B-Unternehmen sind nun gezwungen, digitale B2B-Vertriebswege anzubieten, während ihre Kunden, je nach Branche und Kundensegment, eine stark unterschiedliche digitale Reife aufweisen und den Onlinekauf teilweise erst noch erlernen und akzeptieren müssen. Damit wird Covid-19 zu einem Katalysator im B2B-Commerce. Vielen Kunden werden höchstwahrscheinlich auch nach der Krise online kaufen, weil sie erkannt haben, dass der Online-Handel bei einer positiven User Experience deutlich einfacher, bequemer und auch kostengünstiger sein kann. Jene Unternehmen, die bereits vor der Coronakrise in Digitalisierung und B2B-Commerce investiert haben, werden von der Krise profitieren. Die Unternehmen, die bisher wenig in E-Commerce investiert haben, werden das dringend nachholen müssen, sofern sie die Krise überstehen.
Viele B2B-Unternehmen versuchen in der aktuellen Situation überstürzt ihre Geschäftsmodelle zu digitalisieren und Ihre Produkte online zu vertreiben. Was rätst Du Unternehmen, die jetzt schnell reagieren müssen und ihr Digital Business neu ausrichten?
Klar gibt es Lösungen mit Out-of-the-box-E-Commerce-Tools, um möglichst schnell und kostengünstig Produkte online zu verkaufen. B2B-Commerce ist aber deutlich komplexer und verlangt zusätzlich viele andere Funktionalitäten als im B2C.
Solche kurzfristigen Krisenlösungen sind also keine Plattformen, die ein B2B-Unternehmen nachhaltig in die B2B-Commerce-Zukunft führen wird.
Daher empfehle ich, dass B2B-Händler zuerst klare digitale Business-Strategien für die Zukunft erarbeiten, um darauf basierend die richtige B2B-Commerce-Plattform zu implementieren – integriert in ihre IT-Architektur und durchgängig prozessautomatisiert. Damit sind sie zukünftig ähnlichen Situationen gewappnet.
Welche Lösungen kannst Du Unternehmen dahingehend konkret empfehlen?
Wer im B2B-Geschäft tätig ist, kann sich nicht einfach von jetzt auf gleich digitalisieren. Die Erwartungen an den B2B-Commerce und an digitale B2B-Vertriebswege sind hoch und werden zukünftig weiter steigen. Der Benchmark ist ganz klar B2C: Einkäufer wollen einfach suchen, schnell finden und problemlos bestellen können. Sie fordern eine schnelle Auftragsabwicklung und Lieferung, eine ansprechende Visualisierung der Produkte, sehr ausführliche Produktinformationen und eine tolle Customer Journey.
Eine klare E-Business-Strategie ist daher wichtig. Eine konsequent auf den Kundennutzen ausgerichtete Customer Journey bildet die Grundlage für erfolgreiches E-Business. Es gilt die B2B-Spezifika zu beachten, wie z.B. umfassende Einkaufs- und Freigabeprozesse, kundenindividuelle Preise (Netto/Brutto), komplexe Produkt-Konfiguratoren, Bestandsinformationen in Echtzeit und die Angabe von (verbindlichen) Lieferfristen, um nur einige Beispiele zu nennen.
Ein Großteil der B2B-Unternehmen ist abhängig von den großen Messen, um neues Geschäft zu generieren. Diese wurden für dieses Jahr aber fast alle abgesagt. Welche Ratschläge hast Du für die Unternehmen, wie sie jetzt im E-Commerce Neukunden gewinnen können?
Die aktuelle „Waffe“ von Unternehmen ist ihr Online-Auftritt. Dieser wird im B2B-Handel oft noch sehr stiefmütterlich behandelt und muss verbessert werden. Meistens fehlt die Verschmelzung zwischen den Produktinformationen und dem Onlineshop. Oft besteht auf den Webseiten nämlich keine Möglichkeit, das Produkt in wenigen Klicks zu bestellen. Stattdessen müssen die Interessierten extra einen Händler auswählen oder auf eine weitere Website wechseln.
Auch brechen viele Kunden einen Kauf ab, weil ihnen bei der Produktpräsentation, speziell bei erklärungsbedürftigen Produkten, nicht genügend klar ist, ob es das richtige Produkt (Variante, Größe) ist, das sie suchen. Außerdem werden Fragen online oft nicht beantwortet. Es ist daher äußerst wichtig, Produkte sehr präzise zu beschreiben, zu illustrieren und mit Videos, Installationsanleitungen, Bauplänen, etc. zu bereichern. Eine große Hilfe kann auch eine Onlineberatung sein, beispielsweise über eine Chat-Funktion oder einen Video-Call, bei dem ein Mitarbeiter das Produkt erklären, demonstrieren und Fragen beantworten kann. Video-Calls werden durch Covid-19 absolut normal und akzeptiert.
Dadurch kann ein persönlicheres Erlebnis geboten werden. Interessierte haben lieber eine Person vor Augen, als mit einem Textroboter zu schreiben. So kann Vertrauen aufgebaut werden, was insbesondere bei größeren Investitionen wichtig und ein guter Ersatz für Messen ist.
Neben der Customer Journey geht es auch um die generelle Sichtbarkeit im Web. Wichtig ist, dass das Unternehmen und dessen Produkte gut im Web gefunden werden – Stichwort: Search Engine Optimization (SEO). Je besser die Suchbegriffe und das SEO einer Website eingestellt sind, desto leichter finden Interessierte einen bei der digitalen Suche. Daneben geht es auch um die Erhöhung der Reichweite und generell die Erschließung von potenziellen Käufern durch digitales Marketing. Dazu gehören unter anderem Social Media, Google-Ads-Kampagnen, Content Marketing (im Speziellen: Interviews, Blogbeiträge, Erklärungen, Videos etc.) oder Webinare.
Allerdings bin ich überzeugt, dass Onlinemessen nicht die Zukunft sind. Daher sollte hier von Unternehmensseite nicht zu viel investiert werden. Unternehmen sollten besser ihren gesamten Online-Auftritt überdenken und voranbringen.
Wie lautet Deine perspektivische Einschätzung: Wird die aktuelle Situation den B2B-Commerce nachhaltig verändern und langfristig mehr Digital Business erzeugen?
Wie schon vorhin erwähnt: Die aktuelle Situation ist ein Push für Digital Business. Die Digitalisierung macht durch die Krise in allen Bereichen (Schulen, Verwaltung, Sozialleben, etc.) riesige Sprünge. Es zeigt sich, dass vieles, was vor der Krise nicht möglich war, nun plötzlich digital möglich ist und auch von bisher digital wenig affinen Menschen erlernt und akzeptiert wird. Das gilt auch für den B2B-Handel.
Unternehmen werden ihre Strategie, auch in Bezug auf zukünftige Krisen, hinterfragen und anpassen. Dabei zeigen sich für viele Branchen auch neue Potenziale und Kundensegmente, die mit langfristigen Strategien erschlossen werden können.
Ja, ich bin überzeugt, dass wir durch Corona nachhaltig mehr Digital Business haben werden und Firmen stark in echte Digitalisierung investieren. Echte Digitalisierung heißt, Strategien und Prozesse neu zu denken und anzupassen – das kann grundlegende Veränderungen fürs ganze Unternehmen und deren Businessmodelle bedeuten.
5 wichtige Trends im Fokus
Erfahren Sie, welche Trends im B2B-Commerce Sie in diesem Jahr unbedingt auf dem Schirm haben müssen.